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  #1  
Alt 22.03.2006, 19:19
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Aus der Gemeinsamkeit ging es damals (nach dem Tod meiner Frau) in die Einsamkeit, das Alleinesein, in eine nun eher verlassen wirkende Wohnung mit viel wehmütiger Erinnerung, in ein ANDERES Leben.

Ich stand (wie der Titel eines anderen Threads lautet )vor der Frage: Und nun ?

Ich wollte die Angst vor dem Alleinsein überwinden, wollte die Trauer mutig und schnell angehen, war aber eher verzagt und kraftlos. Ich wollte leben, wollte etwas tun. Viel Veränderung würde nun auf mich zukommen (dachte ich), aber wollte ich das eigentlich?

Wohin die Veränderung geht, wußte ich nicht. Warum nicht so viel wie möglich in alter Form lassen? Da kannten ich und meine Gefühle sich aus.

Einerseits gab es Zögern/Angst beim Tun/Verändern, andererseits hatte ich keine (oder wenig) Geduld mit mir und meiner Trauer.

Im eigenen Wohnort die immer wieder still fragenden Blicke: Wie geht es ihm nun?
An fremden Orten (wenn ich mich mal aufgerafft hatte): Was mache ich nun eigentlich hier ? Hier würde ich doch am liebsten mit IHR zusammen sein.

Ich konnte zwar der Trauer bewußt begegnen, sie aber (leider) nicht beschleunigen. Das geschah durch Nach-Besuch der Kliniken, des Hospizes; durch Nachwandern der vielen letzten, beschwerlichen, gemeinsamen, ganz mühsamen (weil kurzatmigen) Spazierwege.

Da es mir nach diesen (schweren) Besuchen und Spaziergängen besser ging, wurde ich etwas geduldiger mit mir. Meine Frau war mir in jenen Augenblicken sehr nah und das tat mir sehr gut. Oder: Sollte ich mir nichts Gutes tun, indem ich diese schweren Besuche und Spaziergänge vermied? Jedes Mal war es eine Überwindung, jedes Mal erlebte ich die Trauer und die Nähe zu ihr etwas anders. Jedes Mal war es gut.

Es waren viele kleine und große Wiederholungen von gemeinsam Erlebtem nötig, um mich nach und nach von ihr verabschieden zu können. Auch die Trauer und die schmerzlichen Gefühle tauchten ganz allmählich in ein milderes Licht.

Aus dem Rückblick heraus hat mir sowohl mein ETWAS-TUN-WOLLEN in kleinen Schritten geholfen, als auch die schmerzlichen (liebevollen) Gefühle kommen und auch wieder gehen zu lassen. Mit den kleinen Schritten kam irgendwie und irgendwann der Mut zur Veränderung meiner Trauer.

Anregungen zu Veränderungen bekam ich viele durch Lesen, Gespräche und eigenes Nachdenken. Alles war mir willkommen. Umsetzen in einen für mich geeigneten neuen Lebensweg war zwar mühsam, aber ich bin froh, dass ich die Herausforderung angenommen habe. Ich weiss es, es ist auch in IHREM Sinne.

Shalom

Ich fand ich eine ganz bemerkenswerte Geschichte dazu:

ZITATANFANG:

Nikos Kazantzakis, Autor von "Zorbas, der Grieche" beschreibt in seiner Autobiographie folgendes Erlebnis:
Er fand eines Tages in der Rinde eines Olivenbaumes einen kleinen Kokon, aus dem gerade ein Schmetterling zu schlüpfen begann. Fasziniert und voller Ungeduld wollte er den Prozess des Schlüpfens beschleunigen und begann den Kokon mit seinem Atem zu erwärmen. Tatsächlich erreichte er so, dass der Schmetterling schneller aus dem Kokon schlüpfte. Durch die Beschleunigung hatte der Schmetterling aber nicht die nötige Sonnenbestrahlung mit ihrer geduldigen Wärme und lebensspendenden Energie bekommen. So lag er auf der Handinnenfläche des Schriftstellers, die Flügel hoffnungslos am eigenen Körper verklebt und Kazantzakis konnte nur noch zusehen, wie das Tier wenig später starb.
Diese kleine Geschichte lehrt uns viel darüber, dass Entwicklungsprozesse Zeit und Geduld benötigen. Nehmen Sie sich selbst alle Zeit, die Sie brauchen und seien Sie nachsichtig, wenn dies auch andere Menschen tun.

ZITATENDE

entnommen aus:

http://www.zeitzuleben.de/inhalte/pe...werk_2_3g.html

P.S.:

Andrea schrieb einmal in diesem Thread:

"... mir macht es eher Angst, dass ich gegebenenfalls etwas Wichtiges überhört oder übersehen haben könnte. Ich weiß nicht, wie sterben ist, ich war nur Begleiter so gut ich es konnte."

So sehe ich es auch.

Im Internet suchte ich dann Hinweise, ob MEIN WEG IN MEIN GEÄNDERTES LEBEN FÜR MICH RICHTIG IST, oder ob ich es hätte anders machen sollen, oder etwas übersehen habe.

Daher war und bin ich stets auf der "Suche" nach Anregungen und Hinweisen, wie ich auch MIT Trauer meinen lebenswerten Weg neu erarbeiten kann. Die Einstellung, die in der folgenden URL beschrieben ist, ist gar nicht so weit von meiner eigenen Haltung entfernt.

http://www.zeitzuleben.de/inhalte/pe...llungen_1.html


Übrigens:

Mir gefallen einige Dinge aus der oben angegebenen Internet-Quelle recht gut, obwohl ich die Autoren nicht kenne und auch keines der dort zitierten Bücher besitze.
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Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel

Geändert von shalom (22.03.2006 um 19:24 Uhr)
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  #2  
Alt 22.03.2006, 20:24
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Mein lieber Shalom,

All diese Einstellungen, wunderbar. Ich trage sie in mir, ehrlich. Aber wie gesagt, mit der Umsetzung will es derzeit überhaupt nicht gelingen. Nicht heute. Keinen dieser Punkte würde ich heute auch nur annähernd gerecht.

Nikos Kazantzakis hat auch folgendes geschrieben:

„Was ist Liebe, meine Brüder?“ sagte er, die Hände wie zur Umarmung ausstreckend und zurückziehend.
„Sie ist mehr als Mitleid und Güte. Beim Mitleid sind zwei, der Leidende und der Mitleidende.
In der Güte sind zwei: der Gebende und der Nehmende.
Doch in der Liebe ist Einer, zu dem zwei verschmelzen. Sie werden untrennbar. Ich und du verschwinden.
Ich liebe, das bedeutet, ich gehe verloren.“
(Nikos Kazantzakis: Mein Franz von Assisi)

Hast du Alexis Sorbas gelesen Shalom. Eine wunderbare Lektüre. Für mich besonders die Stelle, als Alexis beschreibt, wie er Gott zur Rede stellen wird. Keineswegs Blasphemie, aber es hat mich davon überzeugt, dass nicht nur ich eines Tages Rede und Antwort stehen werde, sondern dass einige meiner Fragen vielleicht auch Beantwortung finden.

Morgen, morgen ist ein neuer Tag.

LG
Andrea,Stand heute: 8. Oktober 2004
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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  #3  
Alt 23.03.2006, 08:07
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Liebe Andrea,

gib Deiner Seele Zeit, sie trägt Dich und Du trägst sie. Helft Euch gegenseitig.

Es gibt keinen Grund an den „Abers“ zu verzweifeln. Ich glaube fest daran, daß dasjenige, was Du tust, Du für Deinen Mann UND für Dich tust. Und nur das zählt.

LG
Shalom
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(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
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  #4  
Alt 28.03.2006, 08:33
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Hilfe in Trauersituation erbitten und dann auch bedenken und annehmen ist gar nicht so leicht.

In der Anfangszeit gab es nur sehr wenige, von denen ich meinte, sie verstünden wirklich meine persönliche Situation. Mein diffuses Ziel weiter "leben" zu wollen meinte ich zu kennen. Es war aber nicht die "Schuld" derjenigen, die mir helfen wollten, daß ich nicht alles übernehmen konnte. Ich konnte auch nicht alle hilfreichen Hinweise verstehen und für mich nachvollziehen. Aber ich war doch eigentlich ganz froh, daß überhaupt Äußerungen meiner Trauerbegleiter kamen. Dasjenige, was mir gut tat, habe ich übernommen, das für mich nicht Verwendbare habe ich zur Seite gestellt. Dabei habe ich mich bemüht, sorgsam mit meinen Trauerbegleitern umzugehen, denn mit oder ohne deren konkrete Hilfen: Es waren Begleiter und ich war mit meiner Trauer nicht alleine.

Die Hauptaufgabe, mein Leben neu zu gestalten, lag ganz allein bei mir selbst, auch wenn so mancher externer Hinweis hilfreich war.

Dennoch im Rückblick auf meine damalige Trauer und die Kommunikation in diesem Forum jetzt:

In Trauersituationen Verständnis füreinander zu entwickeln und echte Kommunikation miteinander zu pflegen war/ist gar nicht so leicht.

Vielleicht läßt sich die folgende Geschichte auf die (zeitweilige) Haltung/Situation von uns Trauernden und unseren Begleitern übertragen.

Typisch !?

Ein Mann fliegt alleine in einem Heißluftballon bei schönstem Wetter durch die Wolken und realisiert plötzlich, dass er die Orientierung verloren hat.
Er reduziert seine Höhe und erkennt schließlich einen Mann am Boden. Er lässt den Ballon noch weiter sinken und ruft dem Mann am Boden zu: "Entschuldigung, können Sie mir bitte helfen? Ich weiß nicht mehr, wo ich mich befinde."
Der Mann am Boden sagt: "Ja sicher. Sie befinden sich in ca. 15 - 20 m Höhe in einem runden, gelb-rot gestreiften Heißluftballon. Ihre aktuelle Position ist zwischen 40 und 42 Grad nördlicher Breite, und zwischen 58 und 60 Grad westlicher Länge."
"Sie müssen Ingenieur sein", sagt da prompt der Ballonfahrer.
"Ja, das ist richtig", antwortet der Mann. "Woher wussten Sie das?"
"Sehen Sie", sagt der Ballonfahrer, "alles, was Sie mir eben gesagt haben, ist bestimmt technisch korrekt, aber ich habe keine Ahnung, was ich nun mit Ihren Informationen anfangen soll. Daher weiß ich immer noch nicht, wo ich nun wirklich bin."
Der Ingenieur sagt hierauf: "Sie müssen ein Manager sein."
"Ja, das bin ich", antwortet der Ballonfahrer, "Und wie haben Sie das herausgefunden?"
"Also," erklärt nun der Ingenieur, "Sie wissen nicht, wo Sie momentan sind oder wohin Sie gehen. Sie haben ein Ziel definiert, von dem Sie nun keine Ahnung haben, wie Sie es erreichen können. Und nun erwarten Sie, dass ich Ihnen dieses Problem löse. Tatsache ist daher: Sie befinden sich in exakt derselben Position, in der Sie waren, bevor wir uns getroffen haben, aber irgendwie ist jetzt alles meine Schuld."


entnommen aus: http://www.zeitzuleben.de/inhalte/in/geschichten
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(Johann Wolfgang von Goethe)
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  #5  
Alt 29.03.2006, 08:26
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Nachdenken (Nachfragen) über mich als immer noch Trauernden, der sich und seine Umgebung (auch hier im Forum) betrachtet:

Wenn ich schon mein Leben neu gestalten will (muß), was ist dann meine Orientierung ? Wenn ich mich nur an dem Verlust orientiere, wird der Teufelskreis der Trauer mich gefangen halten. Orientiere ich mich an dem gemeinsam erlebten schönen Dingen, fühle ich Wärme und Licht. So suche ich Tag für Tag etwas, das Licht und Wärme für mich bedeutet.

Wenn ich selbst Wärme und Licht in mir spüre, werden auch andere mich vielleicht wieder als lebend empfinden. Trauern macht meist einsam, wirkt unnahbar und abweisend.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass meine Umgebung dann wieder auf mich zugehen konnte, als ich - langsam ins Leben zurückkehrend - auf sie zugehen konnte. Das war nicht immer so ganz leicht, aber irgendwie stimmt der Vergleich mit dem Bumerang (siehe das Zitat unten).

Was Zorn, Aggression, Depression über den erlittenen Verlust betraf, wollte ich nicht, daß mich jeden Tag die unbändige Wut packt und so mein tägliches Handeln, meine Stimmung, meine Worte bestimmt. Eine Zeitlang hatten Zorn, Aggression eine wichtige Reinigungsfunktion für meine Seelenlage, aber dann ? Dann war alles ausgesprochen, Zorn und Aggression waren in der Wiederholungsschleife, Änderung meiner Seelenlage: Null.

Da blieb dann bald nichts anderes übrig, als mich mit mir zusammenzusetzen und den Start meines weiteren Lebens zu bedenken. Das war/ist die Hauptarbeit, ziemlich mühsam, aber aber nach einiger Zeit dann auch erfolgreich.

Die innere Stimme zu hören, zu begreifen und von Störgeräuschen zu befreien, war nicht immer so einfach. Den Gedanken überhaupt Raum zu geben, sie zu entwickeln, sie zu ordnen, sie tragfähig zu machen für meine Art des weiteren Lebens hat Zeit, Beständigkeit und das Aushalten von Frustrationen und Rückschlägen gekostet.

Jeden Tag ein klein wenig Licht und Wärme waren der Antrieb und Motor für kleine Schritte in mein anderes Leben.

Shalom

P.S.

Einige der folgenden Sätze habe ich im Krebsforum gefunden, andere an verschiedenen Stellen im Internet .

Es ist besser, ein kleines Licht zu entzünden, als über große Dunkelheit zu klagen.

Höre ich auf meine innere Stimme,
weiß ich, was gut für mich sein möge;
lausche ich aber den vielen Stimmen anderer,
vergesse ich meine eigene, die gewichtigsten aller Stimmen.
(Jutta)

Das Leben ist wie ein Bumerang: man bekommt zurück, was man gibt.
(Dale Carnegie)

Wenige sind imstande, von den Vorurteilen der Umgebung abweichende Meinungen gelassen auszusprechen; die meisten sind sogar unfähig, überhaupt zu solchen Meinungen zu gelangen.
(Albert Einstein)

Denken ist die schwerste Arbeit, die es gibt. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, daß sich so wenig Leute damit beschäftigen.

Achte auf deine Gedanken,denn sie werden deine Worte.
Achte auf deine Worte,denn sie werden deine Handlungen.
Achte auf deine Handlungen,denn sie werden deine Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten,denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter,denn er wird dein Schicksal.
(Talmud)

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Geändert von shalom (29.03.2006 um 08:44 Uhr)
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  #6  
Alt 29.03.2006, 09:00
Benutzerbild von AndreaS
AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Hallo trotz der Wolken, die sich einfach nicht verziehen wollen.

Bei mir ist mir aufgefallen, dass oftmals die Geduld fehlt auf unserem Weg. Der Kopf sieht eigentlich ganz klar, wie es sein sollte, aber die Gefühle spielen nicht mit.

Als ich noch ganz am Anfang stand, machte sich oftmals Panik breit (heute eigentlich auch manchmal noch). Wie soll es weitergehen, wie wird mein Leben aussehen? Wie kann es aussehen ohne meinen Partner zu verraten (das war und ist eigentlich bis heute für mich die schwierigste Frage)

Gedanken rasten durch meinen Kopf, von denen ich heute sage: Sie waren zu früh. Noch nicht die Zeit dafür. Aber das zu erkennen, braucht sie auch wieder, die Zeit. Schritt für Schritt. Anders geht es tatsächlich nicht. Akzeptieren, dass es ZEIT braucht, unendlich viel Zeit und Geduld, vor allem mit einem selber. Ich bin heute nicht mehr die Frau, die ich noch vor der Erkrankung meines Mannes war. Ich kann sie nicht mehr sein. Ich habe weder die Power noch die Ausgeleglichenheit, die ich hatte, um so sein zu können, wie ich einmal war. Meine Traurigkeit ist dominant, sie gehört mittlerweile zu mir und sie bremst mich aus. Auch das wieder erkennen, akzeptieren und versuchen, die Wertigkeit zu verschieben, das Anderssein nicht unbedingt zu verdammen, sondern "das Päckchen neu packen" das Gewicht anders verteilen, bis man wieder ins Gleichgewicht kommt.

Sich selbst Zeit geben, wo der Druck von außen so stark ist, ist schon beinahe ein Kunststück. Aber ich sage es mir immer wieder: Nimm dir Zeit, du bist noch nicht soweit.

Als Dieter vom Aussortieren erzählt hat, dachte ich auch wieder darüber nach. Nein, ich konnte es nicht, nicht sofort. Bloß nichts verändern, alles sollte so bleiben. Wenn Claus schon nicht mehr da war, sollte alles andere unverändert als Mahnmal verbleiben. 17 Monate dauerte es, diese Zeit hab ich mir genommen. Nun haben seine Schuhe Platz geschafft für meine. Ein wenig "Ordnung" in meinem neuen Leben. Seine Schuhe brauche ich nicht mehr, ich habe andere, unsichtbare Dinge. Jetzt aber erst.

Auch sein Wasserglas, das an seinem Bett stand an seinem Todestag. Unverändert, 17 Monate lang, regelmäßig Wasser nachgeschenkt, damit es nicht leer wird. Seine Lippen noch als Abdruck daran. Ich konnte es nicht wegräumen, brauchte es als sichtbares Zeichen, dass er noch bei mir ist. Auch das habe ich nun "entsorgt" Dieses eine Glas ist weg, aber es steht ein neues an seiner Bettseite, eines, das mir meine Tochter geschenkt hat mit dem Aufdruck "Ohne dich ist alles doof" (vielleicht kennt ihr das ja). Dieses "neue" Glas steht nun da und auch das fülle ich regelmäßig mit frischem Wasser auf. Ja, diese Zeit brauche ich noch. Aber vielleicht kann ich eines Tages auch in mein Bett gehen, ohne nachzuschauen, ob mein Mann auch wirklich noch genug Wasser hat.

Und ansonsten bete auch ich mir täglich vor: Lass positive Gedanken zu, damit sie zu dir zurückkommen. Oftmals gelingt es, das sind die Tage, an denen es mir (dadurch?) auch gut geht.

Mein Buchtip an dieser Stelle: Bestellungen beim Universum von Bärbel Mohr, ein wunderschönes Buch, das genau das beschreibt: Schick das Positive auf die Reise, und du wirst es bekommen.

Ich wünsche euch allen, dass jemand die Wolken wegschiebt (@Danke an der Stelle an einen lieben Menschen )

LG
Andrea
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  #7  
Alt 29.03.2006, 09:30
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Hallo liebe Andrea,

lass Dich einfach mal in den Arm nehmen und nun schauen wir Dein neues Wasserglas an, denn das alte Glas hat seine Funktion erfüllt. Ist Dein Wasserglas halbvoll oder halbleer ? Es ist nun ein anderes Glas. Jedes Mal, wenn Du das Glas wechselst, wird sich etwas verändert haben. Das ist ein schönes Symbol für Wechsel UND Beständigkeit.

Zu Licht, Wärme, Dunkelheit, Angst vor Veränderung passt vielleicht (aus der von mir "so innig geliebten" Geschichtensammlung ) die folgende Begebenheit.

LG
Shalom


Die Angst der Kerze

Eines Tages kam ein Zündholz zur Kerze und sagte: "Ich habe den Auftrag, dich anzuzünden." "O nein!" erschrak da die Kerze. "Nur das nicht. Wenn ich brenne, sind meine Tage gezählt! Niemand mehr wird meine Schönheit bewundern!" Und sie begann zu weinen. Das Zündholz fragte: "Aber willst du denn dein Leben lang kalt und hart bleiben, ohne je gelebt zu haben?" "Aber brennen tut doch weh und zehrt an meinen Kräften", schluchzte die Kerze unsicher und voller Angst. "Das ist schon wahr." entgegnete das Zündholz. "Aber das ist doch auch das Geheimnis unserer Berufung: Wir sind berufen, Licht zu sein. Was ich tun kann, ist wenig. Zünde ich dich aber nicht an, so verpasse ich den Sinn meines Lebens. Ich bin dafür da, das Feuer zu entfachen. Du bist die Kerze. Du sollst für andere leuchten und Wärme schenken. Alles, was du an Schmerz und Leid und Kraft hingibst, wird verwandelt in Licht. Du gehst nicht verloren, wenn du dich verzehrst. Andere werden dein Feuer weitertragen. Nur wenn du dich versagst, wirst du sterben."
Da spitzte die Kerze ihren Docht und sprach voller Erwartung: "Ich bitte dich, zünde mich an."

entnommen aus: http://www.zeitzuleben.de/inhalte/in/geschichten
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