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  #1  
Alt 17.08.2006, 15:21
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

Hallole Gaertner (Steffen),

Du wirst Dich sicher an mich erinnern können aus meinen mehrfachen frühen Beiträgen des Hinterbliebenforums in diesem vorliegenden Thread, einem unruhigen und stürmischen anderen Thread, dem Stammtisch und meinem eigenen Thread, den ich 2003 (drei Jahre nach dem Tod meiner Frau) begonnen habe und ab 2005 dann fortgesetzt habe.

Aus trauernden Männern können auch wieder glückliche Männer werden, wenn sie es denn zulassen. Vielleicht können wir beide als mögliches Beispiel dafür gelten: Vergangenes zu bewältigen, Jetziges zu gestalten und Zukünftiges vorzubereiten: all das schließt sich nicht aus und ist ganz sicher nicht gegen die geliebten Menschen gerichtet, die wir verloren haben.

Aus eigener Erfahrung: Ein Spagat der Gefühle bedeutet es schon und Arbeit ist es ganz gewiß auch, sich für neues Glück zu öffnen. Es lohnt sich doch sein eigenes Leben gesund zu gestalten oder etwa nicht? Es braucht Zeit sich zuzugestehen, daß man es (das Leben, neue Liebe) auch ohne Schuldgefühle zu haben, genießen darf. Und als ich mir zugestand jeden Tag zu genießen, konnte ich mich auch wieder eher öffnen und am Leben teilnehmen.

Um es mal anders und profan auszudrücken: Mein persönliches Koordinatensystem wurde durch die große Trauer, ein wunderbares neues Glück, die gleichzeitige Bearbeitung von beidem (Trauer UND Glück) ganz ordentlich durchgerüttelt, aber der innere Schwerpunkt ist mir trotz aller Stürme nicht verloren gegangen. Deshalb kann ich mir auch vertrauen, daß der Weg, den ich nun eingeschlagen habe, für mich der richtige ist.

Daher wünsche ich Dir auch für Deinen Weg die Zuversicht, Beständigkeit und Zufriedenheit, Dein Glück (leben zu dürfen) genießen zu können.

LG
Shalom
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Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
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  #2  
Alt 19.08.2006, 12:46
gaertner gaertner ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

Hallöchen shalom,



über deine zeilen habe ich mich sehr gefreut.

bestimmte wege in der trauerbewältigung und in der persönlichen entwicklung MUß jeder wirklich SELBER gehen.

Ich glaube , kein Freund, keine psychologin und auch keiner in der Familie kann da wirklich helfen. Man will zwar zuhören , hilfe annnehmen und im grunde auch gern auf den Ratschlag anderer hören,.....
tasächlich ist man aber garnicht bereit und in der lage, die meinung anderer zu akzeptieren.

Tatsächlich fühlt man sich in der gegenwart anderer lieber menschen mehr oder weniger gut und schafft es aber nicht, die ängste und zweifel außen vor zu lassen , sobald man wieder alleine ist.

die innere stärke fehlt , nie wieder werde ich sie erreichen, denkt man dann.

dieser zustand wäre bei mir wohl auch noch lange so weitergegangen. Dann habe ich auf meinem weg , den ich gegangen bin , jemand getroffen , der eigentlich genauso kaputt war wie ich.
unser leben war bisher zwar völlig verschieden verlaufen , trotzdem haben wir innerhalb kürzester zeit eine verbundenheit gespürt, die uns anfangs direkt angst gemacht hat.
vielleicht gerade , weil sie genauso "kaputt" war , haben wir unsere gedanken so gut austauschen und teilen können und plötzlich gemerkt, da ist jemand , der dich wirklich versteht , den man selber richtig versteht , der mir kraft gibt , und dem ich kraft zu geben in der lage bin. es kommt dazu , daß diese kraft soweit reicht , auch nicht mehr zu verzweifeln , wenn man alleine ist.

dann kommt unweigerlich der punkt , wo man erkennt , ES TUT NICHT WEH ; EIN NEUES LEBEN ZU LEBEN !

und : das"alte" leben ist nicht vorbei. nichts ist vergessen , nichts wird verdrängt. die erfahrungen , die liebe , das glück , auch die trauer, nichts geht verloren davon.

irgendwie hat man das gefühl , sich "weiterentwickelt" zu haben , weiß nicht , wie ich das anders formulieren soll.

die konsequenz ist dann , das man sich in der art der trauerbewältigung , wofür dieses forum an und für sich als erstes steht, auch an einer anderen stelle befindet ,als andere. sogern man jetzt auch anderen helfen will, wenn ich mich an mich erinnere,daß ich anfangs auch niemand geglaubt habe , der sagte , "alles wird gut",es wird immer schwerer hier zu posten.

zusatz :

ich habe lange überlegt , dies dir als pn zu schicken ,da ich echt angst habe , damit wieder eine diskussion auszulösen , die am ende weit am thema vorbeigeht.

vielleicht hilft es aber dem einen oder anderen leser, der sich gerade an so einem schwellenpunkt befindet.


sei lieb gegrüßt

steffen
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  #3  
Alt 21.08.2006, 08:21
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Petra_S Petra_S ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

Hallo Steffen,

es ist schön zu lesen was du geschrieben hast :

Zitat:
dieser zustand wäre bei mir wohl auch noch lange so weitergegangen. Dann habe ich auf meinem weg , den ich gegangen bin , jemand getroffen , der eigentlich genauso kaputt war wie ich.
unser leben war bisher zwar völlig verschieden verlaufen , trotzdem haben wir innerhalb kürzester zeit eine verbundenheit gespürt, die uns anfangs direkt angst gemacht hat.
vielleicht gerade , weil sie genauso "kaputt" war , haben wir unsere gedanken so gut austauschen und teilen können und plötzlich gemerkt, da ist jemand , der dich wirklich versteht , den man selber richtig versteht , der mir kraft gibt , und dem ich kraft zu geben in der lage bin. es kommt dazu , daß diese kraft soweit reicht , auch nicht mehr zu verzweifeln , wenn man alleine ist.
Ich hoffe une wünsche für euch, dass ihr euch diesen Zustand lange/ immer erhalten könnt, euch bei Schwierigkeiten und "eigendlich unwichtigen Alltagskram" immer an das Wunder eures Kennenlernens, in einer so schlimmen Lebensphase, erinnern werdet und auf den Wert dieses Geschenkes seht.

Ich habe dieses Geschenk vor vielen Jahren in ähnlicher Form erhalten. Ich traf auf meinen Liebesten, in einer Zeit als ich total am Boden lag - er auch. Dieses Kennenlernen, ohne Schnörkel, Beschönigungen, nicht mal dem Bestreben dem anderen zu gefallen, ohne das Vorhaben eine Beziehung aufzubauen, hat uns so viel Nähe und Vertrauen gegeben, dass es uns durch viele folgende schwere Zeiten geholfen hat, wohl wissend auf welchem Fundament wir stehen. Eine solche Liebe, die auf diese Art zusammengeschweißt hat, gleicht wirklich einem Wunder und ich denke, ich habe großes Glück gehabt, sie erlebt zu haben - wann findert man schon einem Menschen, von dem man das sagen kann was du geschrieben hast?!

LG Petra
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  #4  
Alt 03.04.2007, 01:57
gaertner gaertner ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

hallo robert,

"Schlaf, Junge, schlaf gut.
Du, wenn du willst singe ich weiter für dich, noch die ganze Nacht.
Jedes Wort, jede Strophe, die ich kenne.
Ganz egal, auch wenn es aussieht, als ob du mich leise auslachst.
Du, der noch nichts versteht. Woher auch. Kriegst noch früh genug heraus, wo es drum geht, was Freude ist, was Leid.
Schlaf, Junge, keine Angst. Träume von etwas Schönem. Ich passe auf dich auf, dir tut keiner etwas.
Fliege, wenn du kannst, hoch über Berge und Meere. Ich helfe dir, ich fliege mit. Oh, du winziger Schatz.
Summe all guter Gefühle, die ich jemals hatte. Junge, du setzt mich schachmatt.
Schade, so ein Wiegenlied ist leise. Es ist nicht drin, daß man ausklingt und es einfach tut: Sein Glück laut herausschreit.

bap

bei dem lied hab ich immer an euch gedacht, dich und deinen bruder.
ich werde es auch weiterhin machen."

es ist ein jahr her , daß ich dies dir schrieb. wo ist es hin ? mit dem , was ich erlebt habe , könnte ich bücher füllen. was ist passiert und warum ? fragen die immer wieder kommen und doch nicht zu beantworten sind. alles floskeln , die darauf antworten. z.b. pläne sind dazu da, über den haufen geworfen zu werden. oder ist es das, was ich lernen sollte ?

habe ich was gelernt ? mache ich etwas anders als vor 3,4 jahren ? du lebst weiter in einer familie , die dich nur von bildern und erzählungen kennt. eine familie, in der ich ein neues zu Hause gefunden habe. eine familie, wo es auch höhen und tiefen gibt, mal mehr , mal weniger stress. und doch, es funktioniert. es funktioniert mit einem neuen mann im haus, dem es völlig egal sein sollte, wer in diesem haus alles lebt, ausser seiner "klag" (grins). und doch , es ist mir nicht egal. und es gibt am ende wenig stress, weil geredet wird in diesem haus. weil nicht nur über greifbares , reales , sondern auch über gefühle dinge zum ausdruck gebracht werden. über wünsche und hoffnungen wird geredet, pläne gemacht. ich hatte eine zeit, die für mich sehr schlimm war. so schlimm , das ich mir nicht mal in träumen gestattet habe, einen lottogewinn zu haben , weil ich vorher wachgeworden bin , mit dem bewußtsein , jetzt spinnst du aber total , das kann gar nicht gehen.
jetzt machen wir feste pläne , mit geld , was wir auch nie haben werden. aber es ist egal. wenn du den weg nicht weißt, kannst du auch das ziel nicht verfehlen. genial. das problem beim nichtstun ist, das man nie weiß, wann man fertig ist. noch genialer. leben. es fühlt sich gut an. besser.
und du bist mittendrin. rede ich von dir, ist auch chrisstof nicht weit. manchmal auch deine mutter, haben wir doch auch zu viert eine glückliche zeit gehabt. schade, das es jetzt so extrem geworden ist. das gegenteil von liebe ist nicht hass sondern gleichgültigkeit. solange man hasst, hat man auch noch gefühle. ich merke , wie sie stück für stück abgestumpft sind, diese gefühle. wie bei einer zwiebel, schale für schale. plötzlich ist nur noch ein ganz kleiner kern übrig, gerade soviel , daß man nicht vergißt, das da mal was war. es ist aber nicht zu trennen von deinem , von unserem leben. und so wird da auch immer noch ein kleiner rest aus der vergangenheit bleiben.
ich bleib dabei, ich will glücklich sein. je besser es mir geht, desto besser geht es denen um mich rum . du hast das vorgelebt, mit deinem unerschütterlichen glauben an dich. das du es schaffen wirst, nur ein jahr unterbrechung und dann weiter im leben. die zahl derer, die du freunde nennen konntest, ist eher gestiegen als gefallen , während du in der klinik warst. du hast jeden raum mit sonne geflutet (grönnemeier) woher hat er das gewußt ?
ja , ich glaube. ich glaube daran , daß du nicht für umsonst gestorben bist. dein tod war nicht sinnlos. genausowenig wie dein leben. dies ist der "umkehrschluß" , die konsequenz.

alles hat einen sinn. manchmal erschließt er sich einfach nur später.

ich mache wohl wirklich nicht allzuviel anders, als vor 3,4 jahren.

ich mache es nur viel bewußter, egal was ich gerade mache.
selbst das nichtstun.

dein vater
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Geändert von gaertner (28.01.2010 um 09:29 Uhr)
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  #5  
Alt 03.04.2007, 07:35
Blue Blue ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

Nein, es fallen mir noch immer keine Worte ein, muß aber auch nicht. Ich denke an Dich.

Bruni
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  #6  
Alt 01.04.2008, 13:33
gaertner gaertner ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

Hallöchen an alle,


hallo mein Sohn...,


hier schrieb ich und hier bleib ich. Es gibt mittlerweile so viele Threats doch hier passt es für mich am Besten.

Am 16.12.05 habe ich geschrieben :

"man wird halt immer angeschaut wie ein auto, wenn so was passiert und schämt sich dann. Blödsinn.
als ob man seine umgebung fragen müßte , ich möchte jetzt mal kurz weinen, darf ich das ?

ich glaube , diese "stärke" sollte man sich irgendwie aneignen, seinen gefühlen freien lauf lassen zu können. dann ist es auch möglich , diese selber besser kontrollieren zu können , und in das "normale leben" oder den "normalen zustand" zurückzukehren, nicht auf druck der "dummen unwissenden" die um einen herumstehen, sondern weil man sich selber sagt, so kurz geheult und jetzt zurück ins leben.
denn den platz im leben , den wir vorher hatten ,den müssen wir auch weiterhin einnehmen. es besteht verantwortung gegenüber denen , die zu einem gehören. und der , der gegangen ist , ist bestimmt jedesmal traurig , wenn er sieht , was er durch sein weggehen für ein durcheinander angerichtet hat. den DAS ist bestimmt das letzte , was er wollte."

Heute genau vor 3 Jahren war die letzte "große" Untersuchung. Eigentlich stand es schon fest, medizinisch ist alles ausgereizt, am Tag zuvor wurden Lebermetastasen festgestellt,.... er wird sterben, definitiv, nur wann.... ?

Nicht heute, nicht morgen, aber ob es noch 3 Wochen oder 3 Monate werden,
nee , solange wohl eher nicht , aber nicht gleich nächste Woche.

Dann bin ich mit ihm nochmal raus in die KIM, er konnte bei der Lungenszintigraphie nicht mal mehr die Beine strecken, so Schmerzen hatte er im Bauch. Seine Schmerzen zu sehen und die Ärztin, die ihn genervt sagte , er soll sich mal zusammenreißen , damit sie gute Bilder bekommt (sinngemäß dargestellt) veranlassten mich die Beherrschung fallen zu lassen und meinerseits die Ärztin barsch anzugehen, wenn er solche Schmerzen hat und es anders nicht gehen kann , dann brechen wir sofort ab. Ich wußte ja schon , die Oberärztin in der Kinderklinik hatte es mir ja früh vor der Untersuchung schon gesagt, daß er keine Chance auf Genesung mehr hat.
Und Robert ? Er schaut mich erschrocken an, sagt dann ganz ruhig, lass nur , die Ärztin macht auch nur ihre Arbeit. Sofort entspannte sich die Situation , Keilkissen wurden herangeschafft damit die Beine höher lagen und der Bauch nicht so gespannt war.

Dann das Warten im Nebenzimmer. Warten auf ein nochmaliges MRT vom Bein und vom Unterleib. Zwischenzeitlich bekamen wir einen verschlossenen Umschlag hereingebracht, das Ergebniss der Lunge. Robert wollte, das wir es aufmachen, der Assitenzarzt, der mit war und ich.
Mit der Oberärztin war abgesprochen, wir sammeln erst alle Unterlagen , damit sie ein abschließendes Bild sich schaffen kann, um dann Robert offiziell alles mitzuteilen.
Ich sagte es ihm dann auch so und er gab sich aus heutiger Sicht recht schnell mit meiner Antwort zufrieden. Wir redeten über Kino und Filme, der Assistenzarzt erzählte von seinen Einsätzen bei den Rettungssanitätern.Robert hatte starke Schmerzen, er schlang seine Arme wie ein kleines Kind um meinen Hals und wollte, das sie aufhören.

Dann endlich ab zum MRT. Dem Personal habe ich nochmal gesagt, wenn er soviel Schmerzen hat, abrechen. Wir verweigern uns weitern Untersuchungen dann. Nach, keine Ahnung, 20 min oder wer weiß ?, ... ich soll mal mitkommen zum dortigen Oberarzt. Sie mußten abbrechen, sagt er mir, die Schmerzen wären zu stark. Er habe auch schon mit der Oberärztin telefoniert, weiss, das ich Bescheid weiss und die teilweisen Untersuchungsergebnisse reiche aus, alles zu bestätigen. In der Lunge sind nicht mehr zählbare Metastasen, wo zehn Tage früher eine einzige entdeckt wurde.
Ein Jahr später kam ein Brief mit einer CD an Robert adressiert, da Sie länger nicht bei uns waren übersenden wir Ihnen die Bilder für Ihre Unterlagen.
Sein großer Bruder hatte ihn geöffnet und wir waren alle sehr geschockt über diese "Pietätlosigkeit".
Ich schweife ab.
Spät kamen wir zurück in die Kinderklinik. Seine Mutter wollte gleich von Arbeit dorthin, ich sagte, sie solle draussen warten , nicht hochgehen, wollte zuerst mit ihr reden. Ja K., ich wollte der sein , der es seiner Frau mitteilt, welche bis zum Schluß all Ihre Kraft eingesetzt hat , nicht einen Gedanken an dieses Ende zu verschwenden.
Gemeinsam saßen wir dann und haben Robert nochmal tapfer gesagt, das Ergebnis steht noch nicht fest. Er war müde und völlig fertig , hat geschlafen und wir sind nach Hause zu seinem Bruder, unserem großen Sohn.
Der Hausarzt kam zu uns. Lange war er da. Wie sag ich es meinen Sohn , dass er Sterben muß ? So fertig habe ich K. noch nie gesehen. Die Welt war zerbrochen. Ich war Wochen zuvor auf der Beerdigung von Sören, habe versucht mich dem Thema anzunähern, geahnt, was auf uns zukommt.
Habe ich es damit herbeigeführt ? Sind das die Vorwürfe, die im Raum schweben, zur Trennung und Abkehr geführt haben ?
Ich schweife wieder ab.
Wir haben uns geeinigt , ihm zu sagen , er kann nach Hause, da medizinisch alles ausgereizt ist. Er wollte ja heim , Ostern war in dem Jahr gerade vorbei und er mußte in der Klinik bleiben. Samstag habe ich es ihm gesagt. Seine Mutter, der Große und ich an seinem Bett. Ich seh noch sein Wippen mit dem Kopf. Und dann die Tränen, als die Endgültigkeit ausgesprochen war. Heute weiss ich, es war für ihn nur eine Bestätigung dessen , was er schon wußte.
Dann , spitzbübisch, spöttig, na was ist, ab bringt mich ins Auto, ab nach Hause. Pläne, warte, müssen einiges vorbereiten, die Ärzte hatten schon gewarnt, es können unwahrscheinliche Schmerzen auftreten, wir brauchen einen Arzt , der schwere Medikamente geben kann usw.
Dann der Plan, Dienstag heim, Mittwoch mit allen Freunden der Familie eine große Caipirinha-Abschiedsparty.

Am Abend darauf starb Robert nach hartem Kampf in der Klinik.



Es tut weh. Nicht gleichmäßig wie bei H. Grönnemayer. Ich lese die Sätze, die ich im Laufe der Zeit hier hingeschrieben habe und denke, wirklich weiter bin ich nicht.
Andererseits glaube ich auch, ich darf es heute, ich darf es morgen , ich darf es immer noch. TRAUERN, mich vom Schmerz überwältigen lassen. Es wird wieder weniger. Die Tage vor seinem Tod sind jedes Jahr so schlimm. Am Donnerstag wird es dann plötzlich vorbei sein. Es ist so, als ob ich die letzten Stunden nochmal mit ihm durchlebe, auch wenn ich die allerletzten nicht bei ihm war. Und dann mit ihm die Befreiung von Leid und Schmerzen erfahre und mich erinnere, ja , jetzt geht es ihm besser, jetzt hat er den Kampf durchgestanden. Und er ist von niemand und nichts erlöst wurden , er hat gesiegt , das lange Ringen um seinen Tod gewonnen von einem Leben, was ihm nur noch Qual bereitet hat und ihn doch nicht gehen lassen wollte.
Er wird gerade wieder runterschauen zu mir und sagen, was willst du bei mir, hast du keine Termine ?

So schließt sich der Kreis, ja, das ist das Letzte was er wollte.

Ich gönn mir trotzdem noch etwas Zeit zum treiben lassen, erinnern, denken, sacken lassen..., wie auch immer.
Ich weiss, dass ich dann wieder aufstehe und mit dem Leben weitermache.
Ein neues Leben, nicht nur ohne ihn.
Ein neues Leben mit so lieben und wertvollen Menschen um mich herum.
Ein neues Leben, indem ich doch nicht soviel anderes mache, indem ich aber viel mehr zurückbekomme als ich gebe.

Danke dafür.
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  #7  
Alt 03.04.2008, 07:09
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

Der 3 April 2008

Für die meisten der Bekannten und Freunde, ein Tag wie jeder andere. Donnerstag eben.

Nur es ist kein Tag wie jeder andere, wird es niemals sein, dieser Tag ist seit drei Jahren ein besonderer Tag.

Besondere Tage gibt es viele im Leben. Meist denkt man dabei an Hochzeit, Geburt der Kinder, Abifeiern, Geburtstage. Besondere Tage eben.

Wir haben erfahren, dass die Todestage ebenso zu den besonderen Tagen zählen.

Alles ist anders, von einer Sekunde auf die andere. Du hast es kommen sehen, wie viele von uns. Und doch, erst dieser besondere Tag hat es besiegelt, an diesem Tag ist eingetreten wovon wir doch ganz tief im Innern gehofft haben, dass es nicht passiert, dass ausgerechnet wir und unsere Familien zu den Siegern gehören werden, die Ausnahme der Statistiken.

Mein lieber Steffen. Dein Leben ist zerbrochen am 3. April 2005. Um vieles schlimmer, um vieles gemeiner und ungerechter als bei uns. So vieles kam zusammen.

Wie du immer sagst: Robert hat wohl immer alles noch zusammengehalten. Seit dem Tag X nur noch Trümmer.

Sein Tod hat deinem Leben eine Wendung gegeben, unfreiwillig, schmerzhaft, fast nicht zu ertragen.

Du bist nicht zerbrochen, du bist nicht abgerutscht, du hast nicht aufgehört zu lieben und das Leben wieder anzunehmen.

Nein, kein Tag wie jeder andere. Ein besonderer Tag, ein Tag, den wir in Ehren halten werden. Ein Tag symbolisch für bleibende Erinnerung in einer Zeit des schnellen Vergessens. Ein besonderer Tag im Gedenken an einen besonderen Menschen. Ein Junge, der Spuren hinterlassen hat, bei denen, die ihn kannten aber auch bei denen, die nur von ihm erzählt bekommen. Ein ganz besonderer Junge, Dein Junge.

Und so werden wir heute die Rakete in den Himmel schicken, einen Gruß ins Regenbogenland zum dritten Geburtstag. Ein Gruß, der für den verzweifelten Versuch steht, zu akzeptieren, dass der Tod zum Leben gehört. Ein Gruß aber auch für die wichtige Hoffnung auf ein Wiedersehen.

Hey Robby, ich wünsche mir, dass ihr heut ne Runde auf der Harley dreht, eine Caipi trinkt und ganz fest an uns denkt, so wie wir an Euch. Grüß bitte Claus und die anderen von uns, wir vermissen Euch!

LG
Andrea, die Kerze brennt
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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  #8  
Alt 27.01.2010, 15:48
Reinhard Reinhard ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

[QUOTE=shalom;319353]Hallole Gaertner (Steffen),

Aus trauernden Männern können auch wieder glückliche Männer werden, wenn sie es denn zulassen. Vielleicht können wir beide als mögliches Beispiel dafür gelten: Vergangenes zu bewältigen, Jetziges zu gestalten und Zukünftiges vorzubereiten: all das schließt sich nicht aus und ist ganz sicher nicht gegen die geliebten Menschen gerichtet, die wir verloren haben.


Hallo ihr Lieben,

ich schreibe als Lungenkrebskranker und finde, daß der Satz von den Trauernden und Glücklichen nicht nur auf die Hinterbliebenen, sondern auch oder erst recht auf die Betroffenen zutreffen sollte.

Statt angesichts des nahen Todes schon mal in vorbeugendes Wehklagen auszubrechen ist es vielleicht eher angebracht "Jetziges zu gestalten", und das kann auch glücklich sein.

Ihr werdet wahrscheinlich denken, das ist doch selbstverständlich!

Aber, mir scheint, daß das für manche (bes. weibl. Angehörige) gänzlich unverständlich ist.

Wie denken die Trauernden Männer darüber?

LG Reinhard
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