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Alt 13.12.2006, 04:16
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Das kleine Schneeflöckchen


Es war Winter, dicke Schneeflocken wirbelten durch die Luft und bedeckten die Stadt mit einer dicken, weißen Decke. In den Fenstern funkelten Kerzenlichter, es wurde gebacken und der Christbaum geschmückt; denn morgen war Heiligabend. Alle freuten sich auf das Weihnachtsfest, Kinder spielten vergnügt im Garten. Auf den Straßen roch es nach frischem Lebkuchen. Doch nicht alle Kinder waren fröhlich. Ein kranker Junge saß mit traurigen Augen am Fenster und beobachtete das Schneetreiben. Er hatte einen Schal um den Hals gewickelt und seine Nase war ganz rot. Während die Kinder draußen ausgelassen Schneeflocken fingen und einen großen Schneemann bauten, musste er in seinem Bett liegen, weil er Schnupfen und Husten hatte.

So saß er da und schaute den Schneeflocken nach, die an seinem Fenster vorbei wehten. Eine von ihnen - die Kleinste - setzte sich auf sein Fensterbrett, um sich vom Fliegen zu erholen. Sie sah den kranken, traurigen Jungen am Fenster und erzählte es den anderen Schneeflocken. Sie fassten einen Plan. Zusammen flogen sie zu dem kranken Jungen und setzten sich an die Fensterscheibe. Der kranke Junge schaute immer noch mit traurigen Augen aus dem Fenster.

Leise flüsterte das kleine Schneeflöckchen der Schneeflocke neben ihr etwas ins Ohr und die flüsterte es zu der nächsten. Dann setzten sie sich alle so auf die Fensterscheibe, dass sie aussahen wie ein großer, weißer Eisstern. Die Augen des kranken Jungen fingen an zu leuchten; jetzt war er gar nicht mehr traurig.



Um das kleine Schneeflöckchen berühren zu können, streckte er seine Hand zum Fenster. Vorsichtig fasste der kranke Junge an die Scheibe und legte seine Hand auf den Stern aus Schneeflocken. Für ein paar Augenblicke konnte er das kleine Schneeflöckchen ganz nah spüren. Und als er seine Hand wieder wegnahm, hatten sich die Flocken plötzlich zu einem Herz geformt. Sie änderten ständig ihre Form und erfreuten den kranken Jungen mit immer neuen Bildern. Lachend spielte der kranke Junge mit den Schneeflocken an seinem Fenster. Am nächsten Tag war Weihnachten und er würde weiter aus dem Fenster schauen, um die Schneeflocken zu beobachten und gesund zu werden, denn morgen war ja Heiligabend.



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  #2  
Alt 15.12.2006, 01:40
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Drei merkwürdige Gäste und ein guter Stern





Die vornehmen Leute aus dem Osten hatten den Stall und die Krippe noch nicht lange verlassen, da trug sich eine seltsame Geschichte in Bethlehem zu, die in keinem Buch verzeichnet ist.



Wie die Reitergruppe der Könige gerade am Horizont verschwand, näherten sich drei merkwürdige Gestalten dem Stall. Die erste trug ein buntes Flickenkleid und kam langsam näher. Zwar war sie wie ein Spaßmacher geschminkt, aber eigentlich wirkte sie hinter ihrer lustigen Maske sehr, sehr traurig. Erst als sie das Kind sah, huschte ein leises Lächeln über ihr Gesicht. Vorsichtig trat sie an die Krippe heran und strich dem Kind zärtlich über das Gesicht. Vorsichtig trat sie an die Krippe heran und strich dem Kind zärtlich über das Gesicht.



"Ich bin die Lebensfreude", sagte sie. "Ich komme zu dir, weil die Menschen nichts mehr zu lachen haben. Sie haben keinen Spaß mehr am Leben. Alles ist so bitterernst geworden." Dann zog sie ihr Flickengewand aus und deckte das Kind damit zu. "Es ist kalt in dieser Welt. Vielleicht kann dich der Mantel des Clowns wärmen und schützen."



Darauf trat die zweite Gestalt vor. Wer genau hinsah, bemerkte ihren gehetzten Blick und spürte, wie sehr sie in Eile war. Als sie aber vor das Kind in der Krippe trat, schien es, als falle alle Hast und Hektik von ihr ab.


"Ich bin die Zeit", sagte die Gestalt und strich dem Kind zärtlich über das Gesicht. "Eigentlich gibt es mich kaum noch. Die Zeit sagt man, vergeht wie im Flug. Darüber haben die Menschen aber ein großes Geheimnis vergessen. Zeit vergeht nicht, Zeit entsteht. Sie wächst wie Blumen und Bäume. Sie wächst überall dort, wo man sie teilt." Dann griff die Gestalt in ihren Mantel und legte ein Stundenglas in die Krippe. "Man hat wenig Zeit in dieser Welt. Diese Sanduhr schenke ich dir, weil es noch nicht zu spät ist. Sie soll dir ein Zeichen dafür sein, dass du immer soviel Zeit hast, wie du dir nimmst und anderen schenkst."



Dann kam die dritte Gestalt an die Reihe. Die hatte ein geschundenes Gesicht voller dicker Narben, so als ob sie immer und immer wieder geschlagen worden wäre. Als sie aber vor das Kind in der Krippe trat, war es, als heilten die Wunden und Verletzungen, die ihr das Leben zugefügt haben musste.


"Ich bin die Liebe", sagte die Gestalt und strich dem Kind zärtlich über das Gesicht. "Es heißt, ich sei viel zu gut für diese Welt. Deshalb tritt man mich mit Füßen und macht mich fertig." Während die Liebe so sprach, musste sie weinen und drei dicke Tränen tropften auf das Kind. "Wer liebt, hat viel zu leiden in dieser Welt. Nimm meine Tränen. Sie sind, wie das Wasser, das den Stein schleift. Sie sind wie der Regen, der den verkrusteten Boden fruchtbar macht und selbst die Wüste zum Blühen bringt."



Da knieten die Lebensfreude, die Zeit und die Liebe vor dem Kind des Himmels. Drei merkwürdige Gäste brachten dem Kind ihre Gaben dar. Das Kind aber schaute die drei an, als ob es sie verstanden hätte. Plötzlich drehte dich die Liebe um und sprach zu den Menschen, die dabeistanden: "Man wird dieses Kind zum Narren machen, man wird es um seine Lebenszeit bringen und es wird viel leiden müssen, weil es bedingungslos lieben wird. Aber weil es Ernst macht mit der Freude und weil es seine Zeit und Liebe verschwendet, wird die Welt nie mehr so wie früher sein. Wegen dieses Kindes steht die Welt unter einem neuen, guten Stern, der alles andere in den Schatten stellt."



Darauf standen die drei Gestalten auf und verließen den Ort. Die Menschen aber, die all das miterlebt hatten, dachten noch lange über diese rätselhaften Worte nach.....



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  #3  
Alt 15.12.2006, 01:51
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Der allererste Weihnachtsbaum

Der Weihnachtsmann ging durch den Wald. Er war ärgerlich. Sein weißer Spitz, der sonst immer lustig bellend vor ihm herlief, merkte das und schlich hinter seinem Herrn mit eingezogener Rute her.

Er hatte nämlich nicht mehr die rechte Freude an seiner Tätigkeit. Es war alle Jahre dasselbe. Es war kein Schwung in der Sache. Spielzeug und Esswaren, das war auf die Dauer nichts. Die Kinder freuten sich wohl darüber, aber quieken sollten sie und jubeln und singen, so wollte er es, das taten sie aber nur selten.
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Den ganzen Dezembermonat hatte der Weihnachtsmann schon darüber nachgegrübelt, was er wohl Neues erfinden könne, um einmal wieder eine rechte Weihnachtsfreude in die Kinderwelt zu bringen, eine Weihnachtsfreude, an der auch die Großen teilnehmen würden. Kostbarkeiten durften es auch nicht sein, denn er hatte so und soviel auszugeben und mehr nicht.

So stapfte er denn auch durch den verschneiten Wald, bis er auf dem Kreuzweg war. Dort wollte er das Christkindchen treffen. Mit dem beriet er sich nämlich immer über die Verteilung der Gaben.

Schon von weitem sah er, dass das Christkindchen da war, denn ein heller Schein war dort. Das Christkindchen hatte ein langes weißes Pelzkleidchen an und lachte über das ganze Gesicht. Denn um es herum lagen große Bündel Kleeheu und Bohnenstiegen und Espen- und Weidenzweige, und daran taten sich die hungrigen Hirsche und Rehe und Hasen gütlich. Sogar für die Sauen gab es etwas: Kastanien, Eicheln und Rüben.

Der Weihnachtsmann nahm seinen Wolkenschieber ab und bot dem Christkindchen die Tageszeit. „Na, Alterchen, wie geht's?“ fragte das Christkind. „Hast wohl schlechte Laune?“ Damit hakte es den Alten unter und ging mit ihm. Hinter ihnen trabte der kleine Spitz, aber er sah gar nicht mehr betrübt aus und hielt seinen Schwanz kühn in die Luft.

„Ja“, sagte der Weihnachtsmann, „die ganze Sache macht mir so recht keinen Spaß mehr. Liegt es am Alter oder an sonst was, ich weiß nicht. Das mit den Pfefferkuchen und den Äpfeln und Nüssen, das ist nichts mehr. Das essen sie auf, und dann ist das Fest vorbei. Man müsste etwas Neues erfinden, etwas, das nicht zum Essen und nicht zum Spielen ist, aber wobei alt und jung singt und lacht und fröhlich wird.“

Das Christkindchen nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht; dann sagte es: „Da hast du recht, Alter, mir ist das auch schon aufgefallen. Ich habe daran auch schon gedacht, aber das ist nicht so leicht.“

„Das ist es ja gerade“, knurrte der Weihnachtsmann, „ich bin zu alt und zu dumm dazu. Ich habe schon richtiges Kopfweh vom vielen Nachdenken, und es fällt mir doch nichts Vernünftiges ein. Wenn es so weitergeht, schläft allmählich die ganze Sache ein, und es wird ein Fest wie alle anderen, von dem die Menschen dann weiter nichts haben als Faulenzen, Essen und Trinken.“

Nachdenklich gingen beide durch den weißen Winterwald, der Weihnachtsmann mit brummigem, das Christkindchen mit nachdenklichem Gesicht. Es war so still im Wald, kein Zweig rührte sich, nur wenn die Eule sich auf einen Ast setzte, fiel ein Stück Schneebehang mit halblautem Ton herab. So kamen die beiden, den Spitz hinter sich, aus dem hohen Holz auf einen alten Kahlschlag, auf dem große und kleine Tannen standen. Das sah wunderschön aus. Der Mond schien hell und klar, alle Sterne leuchteten, der Schnee sah aus wie Silber, und die Tannen standen darin, schwarz und weiß, dass es eine Pracht war. Eine fünf Fuß hohe Tanne, die allein im Vordergrund stand, sah besonders reizend aus. Sie war regelmäßig gewachsen, hatte auf jedem Zweig einen Schneestreifen, an den Zweigspitzen kleine Eiszapfen, und glitzerte und flimmerte nur so im Mondenschein.


Das Christkindchen ließ den Arm des Weihnachtsmannes los, stieß den Alten an, zeigte auf die Tanne und sagte: „Ist das nicht wunderhübsch?“

„Ja“, sagte der Alte, „aber was hilft mir das ?“

„Gib ein paar Äpfel her“, sagte das Christkindchen, „ich habe einen Gedanken.“

Der Weihnachtsmann machte ein dummes Gesicht, denn er konnte es sich nicht recht vorstellen, daß das Christkind bei der Kälte Appetit auf die eiskalten Äpfel hatte. Er hatte zwar noch einen guten alten Schnaps, aber den mochte er dem Christkindchen nicht anbieten.

Er machte sein Tragband ab, stellte seine riesige Kiepe in den Schnee, kramte darin herum und langte ein paar recht schöne Äpfel heraus. Dann faßte er in die Tasche, holte sein Messer heraus, wetzte es an einem Buchenstamm und reichte es dem Christkindchen.

„Sieh, wie schlau du bist“, sagte das Christkindchen. „Nun schneid mal etwas Bindfaden in zwei Finger lange Stücke, und mach mir kleine Pflöckchen.“

Dem Alten kam das alles etwas ulkig vor, aber er sagte nichts und tat, was das Christkind ihm sagte. Als er die Bindfadenenden und die Pflöckchen fertig hatte, nahm das Christkind einen Apfel, steckte ein Pflöckchen hinein, band den Faden daran und hängte den an einen Ast.

„So“, sagte es dann, „nun müssen auch an die anderen welche, und dabei kannst du helfen, aber vorsichtig, dass kein Schnee abfällt!“

Der Alte half, obgleich er nicht wusste, warum. Aber es machte ihm schließlich Spaß, und als die ganze kleine Tanne voll von rotbäckigen Äpfeln hing, da trat er fünf Schritte zurück, lachte und sagte; „Kiek, wie niedlich das aussieht! Aber was hat das alles für'n Zweck?“

„Braucht denn alles gleich einen Zweck zu haben?“ lachte das Christkind.
„Paß auf, das wird noch schöner. Nun gib mal Nüsse her!“

Der Alte krabbelte aus seiner Kiepe Walnüsse heraus und gab sie dem Christkindchen. Das steckte in jedes ein Hölzchen, machte einen Faden daran, rieb immer eine Nuss an der goldenen Oberseite seiner Flügel, dann war die Nuss golden, und die nächste an der silbernen Unterseite seiner Flügel, dann hatte es eine silberne Nuss und hängte sie zwischen die Äpfel.

„Was sagst nun, Alterchen?“ fragte es dann. „Ist das nicht allerliebst?“

„Ja“, sagte der, „aber ich weiß immer noch nicht...“

„Komm schon!“ lachte das Christkindchen. „Hast du Lichter?“

„Lichter nicht“, meinte der Weihnachtsmann, „aber 'nen Wachsstock!“
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„Das ist fein“, sagte das Christkind, nahm den Wachsstock, zerschnitt ihn und drehte erst ein Stück um den Mitteltrieb des Bäumchens und die anderen Stücke um die Zweigenden, bog sie hübsch gerade und sagte dann; „Feuerzeug hast du doch?“

„Gewiss“, sagte der Alte, holte Stein, Stahl und Schwammdose heraus, pinkte Feuer aus dem Stein, ließ den Zunder in der Schwammdose zum Glimmen kommen und steckte daran ein paar Schwefelspäne an. Die gab er dem Christkindchen. Das nahm einen hellbrennenden Schwefelspan und steckte damit erst das oberste Licht an, dann das nächste davon rechts, dann das gegenüberliegende. Und rund um das Bäumchen gehend, brachte es so ein Licht nach dem andern zum Brennen.

Da stand nun das Bäumchen im Schnee; aus seinem halbverschneiten, dunklen Gezweig sahen die roten Backen der Äpfel, die Gold- und Silbernüsse blitzten und funkelten, und die gelben Wachskerzen brannten feierlich. Das Christkindchen lachte über das ganze rosige Gesicht und patschte in die Hände, der alte Weihnachtsmann sah gar nicht mehr so brummig aus, und der kleine Spitz sprang hin und her und bellte.

Als die Lichter ein wenig heruntergebrannt waren, wehte das Christkindchen mit seinen goldsilbernen Flügeln, und da gingen die Lichter aus. Es sagte dem Weihnachtsmann, er solle das Bäumchen vorsichtig absägen. Das tat der, und dann gingen beide den Berg hinab und nahmen das bunte Bäumchen mit.

Als sie in den Ort kamen, schlief schon alles. Beim kleinsten Hause machten die beiden halt. Das Christkindchen machte leise die Tür auf und trat ein; der Weihnachtsmann ging hinterher. In der Stube stand ein dreibeiniger Schemel mit einer durchlochten Platte. Den stellten sie auf den Tisch und steckten den Baum hinein. Der Weihnachtsmann legte dann noch allerlei schöne Dinge, Spielzeug, Kuchen, Äpfel und Nüsse unter den Baum, und dann verließen beide das Haus so leise, wie sie es betreten hatten.

Als der Mann, dem das Häuschen gehörte, am andern Morgen erwachte und den bunten Baum sah, da staunte er und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Als er aber an dem Türpfosten, den des Christkinds Flügel gestreift hatte, Gold- und Silberflimmer hängen sah, da wusste er Bescheid. Er steckte die Lichter an dem Bäumchen an und weckte Frau und Kinder. Das war eine Freude in dem kleinen Haus wie an keinem Weihnachtstag. Keines von den Kindern sah nach dem Spielzeug, nach dem Kuchen und den Äpfeln, sie sahen nur alle nach dem Lichterbaum. Sie fassten sich an den Händen, tanzten um den Baum und sangen alle Weihnachtslieder, die sie wussten, und selbst das Kleinste, das noch auf dem Arm getragen wurde, krähte, was es krähen konnte.

Als es hellichter Tag geworden war, da kamen die Freunde und Verwandten des Bergmanns, sahen sich das Bäumchen an, freuten sich darüber und gingen gleich in den Wald, um sich für ihre Kinder auch ein Weihnachtsbäumchen zu holen. Die anderen Leute, die das sahen, machten es nach, jeder holte sich einen Tannenbaum und putzte ihn an, der eine so, der andere so, aber Lichter, Äpfel und Nüsse hängten sie alle daran.

Als es dann Abend wurde, brannte im ganzen Dorf Haus bei Haus ein Weihnachtsbaum, überall hörte man Weihnachtslieder und das Jubeln und Lachen der Kinder.

Von da aus ist der Weihnachtsbaum über ganz Deutschland gewandert und von da über die ganze Erde. Weil aber der erste Weihnachtsbaum am Morgen brannte, so wird in manchen Gegenden den Kindern morgens beschert.
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  #4  
Alt 17.12.2006, 00:04
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Die vier Kerzen


Vier Kerzen brannten am Adventskranz. So still, dass man hörte, wie die Kerzen zu reden begannen.

Die erste Kerze seufzte und sagte: "Ich heiße Frieden.
Mein Licht leuchtet, aber die Menschen halten keinen Frieden. "
Ihr Licht wurde immer kleiner und verlosch schließlich ganz.

Die zweite Kerze flackerte und sagte: "Ich heiße Glauben.
Aber ich bin überflüssig. Die Menschen wollen von Gott nichts wissen.
Es hat keinen Sinn mehr, dass ich brenne."
Ein Luftzug wehte durch den Raum, und die zweite Kerze war aus.



Leise und traurig meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort. "Ich heiße Liebe.
Ich habe keine Kraft mehr zu brennen. Die Menschen stellen mich an die Seite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie lieb haben sollen. "
Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht.

Da kam ein Kind in das Zimmer. Es schaute die Kerzen an und sagte:
"Aber, aber, Ihr sollt doch brennen und nicht aus sein!" Und fast fing es an zu weinen.

Da meldete sich auch die vierte Kerze zu Wort.
Sie sagte: "Hab keine Angst!
Solange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden.
Ich heiße Hoffnung."

Mit einem Streichholz nahm das Kind Licht von dieser Kerze und zündete die anderen Lichter wieder an.



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  #5  
Alt 17.12.2006, 00:09
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Die Weihnachtsverpflichtung

"Du Bruderherz, wie hältst du es diesmal mit Weihnachten? Ich meine – fährst du wieder zur Mutter, oder hast du sonst was vor?"
Die Stimme am anderen Ende der Leitung klingt sarkastisch: "Ob ich anderes vorhabe ist gut! Klar würde ich lieber gleich zum Skilaufen fahren – und Marion natürlich auch. sie hält mich total sentimental, dass ich am Heiligabend bei Mutter sein muss."
"Bei mit ist es genauso. Aber jetzt, da sie allein ist, können wir schlecht anders. Wenigstens Heiligabend und am ersten Feiertag sollten wir schon da sein. Mir wird zwar jetzt schon unbehaglich, wenn ich an Mutters Weihnachtsbrimborium denke, aber wir werden's wohl überstehen."
"Im letzten Jahr haben wir ihr allerdings tüchtig unsere Meinung gesagt, weißt du noch?"
"Und ob! Von der verlogenen Gefühlsduselei, die weder mit dem religiösen Gehalt des Festes noch mit unserer Lebenssituation viel zu tun hat. Sie hat arg geschluckt daran und seitdem nie mehr darüber gesprochen."
"Glaub doch nicht, dass du einen Menschen in ihrem Alter noch ändern kannst. Aber ich freue mich, dich wiederzusehen; kommt ja schließlich auch nicht mehr häufig vor."
Martin Leichtbauer legte den Hörer auf die Gabel und stellte zu seinem eigenen Verwundern fest, dass er erleichtert war, ja dass er sich freute auf die vermeintliche Verpflichtung, Weihnachten bei der Mutter verleben zu müssen ....
Als er am frühen Nachmittag des 24. Dezember an der Wohnungstür seiner Mutter klingelte, öffnete sein Bruder die Tür.
"Prima, dass du da bist, vor etwa 10 Minuten bin ich angekommen!"
"Und Mutter?" "Sie ist im Weihnachtszimmer – Wohnzimmer, meine ich. Da darf ja eh und je vor Heiligabend niemand rein. Ich glaube, es würde ihr ganz gut passen, wenn wir noch eine Weile aus den Füßen wären – und ich hätte Lust, vor Einbruch der Dunkelheit mit dir einen Spaziergang zu machen. Auf den Pfaden unserer Kindheit", fügte er lachend hinzu.
Die Straßen waren ziemlich menschenleer, als die beiden Brüder nebeneinander durch die früh einsetzende Dämmerung des Heiligen Abends gingen.
"schon ein komisches Gefühl, als Erwachsener über dieselben Straßen zu gehen, die man als Junge so gut gekannt hat. es ist dasselbe und doch überhaupt nicht mehr dasselbe .....", sagte Martin.
"Wir haben uns verändert", antwortete ihm der Bruder, "sehr sogar – und die Straßen auch. schau mal da, wo jetzt diese grässliche Tankstelle steht, war früher das windschiefe Fachwerkhäuschen der alten Frau Übertür. Erinnerst du dich nicht mehr an sie? Wir klopften im Vorbeilaufen immer an ihre Tür und hatten unseren Spaß daran, wenn sie schimpfend mit ihrem Besen gerannt kam ... Man hat sie dann in ein Heim gebracht und das Haus abgerissen ..."
"Du, ich muss lange nicht mehr hier gewesen sein – da hinten, wo früher Weiden standen, ist jetzt eine Fabrik. Aus dem Holz der Weiden haben wir uns Flöten gemacht ... Und wo ist der Bach, der dort floss?"
"Längst kanalisiert und überbaut. Das ganze Gebiet, in dem man abends die Frösche quaken und so viele Vögel singen hörte, ist trockengelegt und zu einem Industriegeländer gemacht worden. Hat dir Mutter nicht die Zeitungen geschickt damals, als die Entscheidung dafür im Stadtrat zur Diskussion stand? Man müsse den Mut haben, alte Zöpfe abzuschneiden und sich den Gegebenheiten und Erfordernissen der Jetztzeit anzupassen, lautete die verherrschende Meinung."

Martin spürte, wie ein Schaudern ihn überlief. Er klappte den Kragen seines Mantels nach oben, zog unwillkürlich die Schultern hoch und suchte mit den Augen so etwas wie einen tröstenden Halt, einen Schutz. Seine Blicke aber irrten vergeblich den Horizont entlang über die düsteren Silhouetten von Schornsteinen, Hochhäusern und Hochspannungsmasten. - "Lass uns nach Hause gehen", sagte er, "es ist ungemütlich hier und Mutter wird fertig sein.

"Meinst du nicht, dass es ihr einen Knacks gegeben hat, als wir letztes Jahr über ihr Bürgerweihnachten gelästert haben? Die Künstlichkeit der trauten Stimmung, des Singenmüssens, die Zwänge der Gottesdienste und Mahlzeiten - statt eines lockeren Ausschlafens . . "
"Du, ich habe den Eindruck, dass das alles für Mutter gar nicht künstlich ist, ihr gibt das alles was. Da, sieh mal, in unserer Wohnung brennt schon der Weihnachtsbaum und - ist das nicht Mutters Stimme?"

Die beiden waren wieder vor dem Haus ihrer Mutter angekommen. Aus dem oberen Stockwerk konnte man deutlich die Klänge eines Klaviers und eine Frauenstimme vernehmen: "Vom Himmel hoch, da komm ich her . . "

"Sie übt sicher für das gemeinsame Krippenprogramm, räusper dich schon mal. Wollen wir klingeln?"
"Wart noch einen Moment, gleich ist sie fertig. - Du, sie fängt noch ein Lied an: Es ist ein Ros' entsprungen - ihre alten Lieblingslieder. Und dass der Weihnachtsbaum schon brennt! Vielleicht haben wir uns verspätet, und sie ist jetzt ärgerlich?"
Auf das Klingelzeichen brach der Gesang ab. Die Mutter öffnete die Türe, ein strahlendes Leuchten im Gesicht. "Kommt rein, ich habe den Baum schon angezündet!"
Das Zimmer war - wie in den Kindheitstagen - warm, glänzend, duftend. Schweigend standen alle, schauten in die Krippe, in die Lichter der Kerzen, das sich in der aufsteigenden Wärme leicht bewegende Lametta ... Und war vorher alles Kälte und Unbehagen, so war jetzt alles voller Wärme und Gemütlichkeit.

"Wollt ihr nicht eure Geschenke anschauen?" Mutter ergriff die beiden bei den Armen und führte sie zum Gabentisch. Die Brüder zögerten etwas und tauschten einen kurzen, ratlosen Blick aus, der zu sagen schien: Wieso denn jetzt schon Gabentisch, da stand doch früher immer Weihnachtsevangelium und Krippensingen auf dem Programm? Mutter aber schien unbeirrt und völlig gelöst und heiter. Nachdem die Geschenke ausgetauscht und besichtigt waren, legte sie eine Schallplatte auf und sagte: "Im Kühlschrank stehen belegte Brote, ist jemand so nett und holt sie? - Ich bin ja lernfähig", fügte sie lächelnd hinzu. "In: letzten Jahr habt ihr gesagt, die üppigen Mahlzeiten wären euch zuviel, und ohne den ganzen Arbeitsaufwand hätten wir viel mehr Zeit füreinander. Das stimmt. Wer holt eine gute Flasche aus dem Keller?"

Die Wurstbrote schmeckten gut, trotzdem war da etwas, was die Bissen nicht so recht rutschen ließ ... An Mutter konnte, es nicht liegen, die sprudelte nur so vor ungebremster Erzählfreude und schien den Abend mit vollen Zügen zu genießen. "Aber ich rede die ganze Zeit", unterbrach sie sich schließlich. "Was ' gibt es bei euch?, erzählt doch mal!" "Ach Mutter, weißt du, wir sind noch etwas betroffen von den Veränderungen, die wir eben auf dem Spazierweg festgestellt haben: Das Fachwerkhaus der alten Übertor abgerissen, die Weiden sind weg, und sogar den Bach gibt es nicht mehr."

"Es hat sich soviel verändert, und irgendwie ist alles kälter und hässlicher geworden", fügte der Bruder hinzu.

Eine Weile saßen sie schweigend. "Mutter, was hast du weiter vor?" Hans versuchte einen neuen Gesprächsbeginn, "jch meine: wie geht es jetzt weiter in deinem Programm?"
Eine kleine, etwas peinliche Pause entstand.
"Ich habe kein Programm für euch", sagte die Mutter schließlich leise. "Ihr habt mir letztes Jahr vorgeworfen, ich zwänge euch zu einer Art des Feierns, die längst nicht mehr die eure wäre. Das muss und kann ich akzeptieren. So will ich euch sagen, wie ich für mich Weihnachten feiern will: Ich werde nachher in die Mette gehen und morgen ausschlafen. Ihr könnt zur Kirche mitkommen oder hier bleiben - wie ihr wollt. Ihr habt mir letztes Jahr gesagt, die üppigen Mahlzeiten belasteten euch nur, und da mir selber daran nichts liegt, habe ich diesmal ganz darauf verzichtet und somit viel mehr freie Zeit. Vielleicht essen wir morgen zu Mittag Schinkentoast? Wenn ihr wollt, können wir dann gemeinsam etwas spazieren gehen. Am Abend, wenn ihr dann wieder weg seid, wird eine Freundin mit ihrer Blockflöte kommen." Sie sah fast etwas verlegen, aber sehr glücklich aus, als sie nach ein paar Minuten des Schweigens fortfuhr: "Wenn wir dann nicht in den Spiegel schauen, fühlen wir uns wie in unserer Jugend ..., wir singen einstimmig, zweistimmig, mit Klavier, mit Flöte, lesen uns dann gegenseitig Weihnachtsgeschichten vor - und lassen dabei all unsere kitschigen, nostalgischen. Weihnachtsgefühle zu. Es tut uns einfach gut - und glaubt nicht, dass ich deswegen weniger an die gedacht hätte, denen es Weihnachten nicht so gut geht wie uns."

"Das wissen wir von dir, Mutter, aber" - Martins Stimme klang unsicher -, "wollen wir nicht vielleicht jetzt doch etwas gemeinsam singen? Du tust es doch gerne, oder?"

Auf Mutters Gesicht trat ein bestimmter, ablehnender Zug. "Nein, ihr sollt nichts tun, was, ihr nur mir zuliebe tut. Außerdem - selbst wenn ich wollte, könnte ich gar nicht mehr unbefangen mit euch so feiern, wie wir das früher immer getan haben, als ich noch dachte, dass es euch genauso viel Freude macht wie mir." "Irgendwie hat es uns wohl auch Freude gemacht....", lenkte Hans ein, aber die Mutter blieb hart.
"Glaubt ihr, selbst wenn ich euch den Gefallen tun wollte - ich könnte jetzt gar nicht. Man kann eine gefällte Linde nicht plötzlich wieder aufrichten, wenn man nachträglich zu der Meinung gekommen, ist, dass sie doch eigentlich ganz hübsch aussah. Ebenso wenig lassen sich ausgerottete Frösche und Vögel plötzlich wieder einbürgern, lässt sich ein planierter Bach wieder zu einem natürlichen ungezügelten Gewässer machen - und lässt sich eine alte Tradition wieder herstellen, wenn sie einmal kaputtgemacht worden ist."

Eine Weile saßen alle ganz still, sahen auf ihre Weingläser, in deren Rund sich der Weihnachtsbaum mit all seinen Kerzen verhalten leuchtend vervielfältigte, und hörten den Kinderstimmen zu, die aus dem Plattenspieler drangen: Oh, du fröhliche ...

"Das war kein Vorwurf an euch, glaubt mir das bitte", ließ sich Mutters Stimme wieder vernehmen. "Ich gebe zu, dass mir eure Kritik letztes Jahr hart angekommen ist. Ihr habt eure Bedürfnisse und Wünsche, und ich habe meine. Ich weiß jetzt sogar ganz deutlich, wie das aussieht, was ich für mich will und brauche. Für mich ist das alles ganz in Ordnung so." Nach einer kleinen Pause fügte sie leise hinzu:

"Und ich hoffe, für euch auch ......"

Lydia Strzebniok

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  #6  
Alt 20.12.2006, 03:04
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Der Engel Heinrich

Als ich dieses Jahr meine Pyramide und die Krippe und die zweiunddreißig Weihnachtsengel wieder einpackte, behielt ich den letzten in der Hand.

"Du bleibst", sagte ich. "Du kommst auf meinen Schreibtisch. Ich brauche ein bisschen Weihnachtsfreude für das ganze Jahr."
"Da hast du aber ein Glück gehabt", sagte er.
"Wieso?" fragte ich ihn.
"Na, ich bin doch der einzige Engel, der reden kann."

Stimmt! Jetzt erst fiel es mir auf. Ein Engel, der reden kann? Das gibt es ja gar nicht! In meiner ganzen Verwandtschaft und Bekanntschaft ist das noch nicht vorgekommen. Da hatte ich wirklich Glück gehabt.

"Wieso kannst du eigentlich reden? Das gibt es doch gar nicht. Du bist doch aus Holz!"
"Das ist so. Nur wenn jemand einmal nach Weihnachten einen Engel zurückbehält, nicht aus Versehen oder weil er sich nichts dabei gedacht hat, sondern wegen der Weihnachtsfreude, wie bei dir, dann können wir reden. Aber es kommt ziemlich selten vor. Übrigens heiße ich Heinrich."
"Heinrich? Bist du denn ein Junge? Du hast doch ein Kleid an!" - Heinrich trägt nämlich ein langes, rotes Gewand.
"Das ist eine reine Modefrage. Hast du schon einmal einen Engel in Hosen gesehen? Na also."

Seitdem steht Heinrich auf meinem Schreibtisch. In seinen Händen trägt er einen goldenen Papierkorb, oder vielmehr: Einen Müllkorb. Ich dachte erst, er sei nur ein Kerzenhalter, aber da hatte ich mich geirrt, wie ihr gleich sehen werdet. Heinrich stand gewöhnlich still an seinem Platz, hinter der rechten hinteren Ecke meiner grünen Schreibunterlage (grün und rot passt so gut zusammen!) und direkt vor ein paar Büchern, zwei Bibeln, einem Gesangbuch und einem Bändchen mit Gebeten. Und wenn ich mich über irgendetwas ärgere, hält er mir seinen Müllkorb hin und sagt: "Wirf rein!" Ich werfe meinen Ärger hinein - und weg ist er!

Manchmal ist es ein kleiner Ärger, zum Beispiel wenn ich wieder meinen Kugelschreiber verlegt habe oder eine fremde Katze in unserer Gartenlaube vier Junge geworfen hat. Es kann aber auch ein großer Ärger sein oder eine große Not oder ein großer Schmerz, mit dem ich nicht fertig werde, zum Beispiel, als kürzlich ein Vater und eine Mutter erfahren mussten, dass ihr fünfjähriges Mädchen an einer Krankheit leidet, die nicht mehr zu heilen ist. Wie soll man da helfen! Wie soll man da trösten! Ich wusste es nicht. "Wirf rein!" sagte Heinrich, und ich warf meinen Kummer in seinen Müllkorb.

Eines Tages fiel mir auf, dass Heinrichs Müllkorb immer gleich wieder leer war.
"Wohin bringst du das alles?"
"In die Krippe", sagte er.
"Ist denn so viel Platz in der kleinen Krippe?"
Heinrich lachte. "Pass auf! In der Krippe liegt ein Kind, das ist noch kleiner als die Krippe. Und sein Herz ist noch viel, viel kleiner."
Er nahm seinen Kerzenhalter unter den linken Arm und zeigte mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, wie klein.
"Denn deinen Kummer lege ich in Wahrheit gar nicht in die Krippe, sondern in das Herz dieses Kindes. Verstehst du das?"
Ich dachte lange nach. "Das ist schwer zu verstehen. Und trotzdem freue ich mich. Komisch, was?"
Heinrich runzelte die Stirn. "Das ist gar nicht komisch, sondern die Weihnachtsfreude, verstanden?"

Auf einmal wollte ich Heinrich noch vieles fragen, aber er legte den Finger auf den Mund. "Psst!" sagte er. "Nicht reden! Nur sich freuen!"

Dietrich Mendt



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  #7  
Alt 20.12.2006, 03:11
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Idee AW: ***weihnachtsgeschichten***

Weihnachtstränen

Das war Weihnachten, am Heiligen Abend, in der Bahnhofsgaststätte in Hamm. Die Münsteraner Elli und Fred waren zu Besuch bei der Mutter. Und weil es bis zur Bescherung noch Zeit war, bummelten sie durch die festlich strahlenden Straßen und erfreuten sich an der vorweihnachtlichen Stille. Ihr Ziel war die Bahnhofsgaststätte, wo sie, wie schon Jahre vorher, den dort stehenden, liebevoll geschmückten großen Christbaum bewundern wollten. Weihnachtsmelodien tönten sanft durch die Bahnhofsgaststätte, und der Anblick des schönen Tannenbaumes ließ Elli und Fred so recht in Weihnachtsstimmung kommen.

Am Tisch gegenüber sahen sie eine ältere Frau, die Kreuzworträtsel löste und ein Glas Wein vor sich stehen hatte. Daneben lagen ein Walkman und einige Musik-Kassetten. Die Frau schien glücklich zu sein, wie Elli und Fred es waren, aber irgendwie stimmte die beiden das Alleinsein zur Weihnacht ein bisschen traurig. Die Münsteraner kamen mit ihr ins Gespräch. Sie sei schon Jahre allein und habe gelernt, sich mit eigener Kraft zum Glück zu verhelfen, sagte sie. Sie müsse ganz besonders zur Weihnacht ihrem Glück kräftig unter die Arme greifen. "Na, ja", fügte sie hinzu, "ganz ohne Gottes Hilfe geht es nicht. Aber ich feiere meine Weihnacht und ich hoffe, ohne Wehmut und mitwenig Tränen, denn ganz ohne Tränen habe ich es noch nicht geschafft."

Da kam die Kellnerin an ihren Tisch. "Es ist 14.30 Uhr", sagte sie, und mit den Worten: "Wir schließen um 15 Uhr, darf ich abrechnen", schien sie abrupt die wahrscheinlich mit viel Mühe und Selbstbeherrschung aufgebaute Weihnachtsstimmung der Frau zu zerstören.

Aber das dachten Elli und Fred nur, denn die Frau vom Tisch gegenüber zeigte sich gefasst. "Gleich beginnt meine Weihnacht", sagte sie, nahm den Kopfhörer des Walkmans in die Hand und ... Fred unterbrach sie: "Und was machen Sie nach 15 Uhr? Es ist Weihnachten, Heiligabend?" "Irgendwo werde ich Menschen treffen", erwiderte sie, "vielleicht in der Bahnhofshalle, aber ganz sicher in den Kirchen unserer schönen Stadt." Sie setzte den Kopfhörer auf, und aus dem Walkman klang es leise "Vom Himmel hoch, da komm` ich her..."

Und als die beiden den Christbaum mit seinen strahlenden Kerzen und dann die Frau am Tisch nebenan betrachteten, da sahen sie, wie Tränen über ihre Wangen liefen. "Siehst du, Elli", sagte Fred, "sie hat vorausgesagt, dass ihre Weihnacht nicht ohne Tränen ablaufen würde", und als er Elli anschaute, sah er, dass auch ihr Gesicht voller Tränen war. Auch Fred musste ganz schön die Zähne zusammenbeißen, um nicht auch noch ..., denn aus dem Walkman klang es leise: "Stille Nacht, heilige Nacht". Es war Weihnachten, Heiligabend in der Bahnhofsgaststätte in Hamm.

Und dann geschah etwas, das Elli und Fred wie ein Wunder erschien: Als sie abends in der vollbesetzten Kirche standen, winkte ein Mensch zu ihnen herüber - das war die Frau vom Nachmittag in der Bahnhofsgaststätte, vom Tisch gegenüber. Sie stand nur ein paar Schritte neben den beiden. Und weil Elli gerade betete, ergänzte sie ihre Bitte an den Himmel: "Herr, beschütze diese wundervolle Frau, die, obwohl allein, uns beiden so viel Kraft und Zuversicht schenkt."

Nach dem Gottesdienst trafen sich die drei vor der Kirche wieder. "Ich bin ein bisschen heiser", sagte sie, "und das kommt vom Weihnachtsliedersingen, ich war heute Abend schon in mehreren Kirchen und, wie ich Ihnen schon voraussagte, immer unter Menschen. Es war für mich wieder ein schöner Heilig Abend. Frohe Weihnacht wünsche ich Ihnen."

Sie reichte Elli und Fred die Hand. Die beiden waren bedrückt, aber auch beglückt und schauten die Frau mit Hochachtung an. Lieblich klangen die Weihnachtsglocken durch die stille Nacht, als die Frau von der Bahnhofsgaststätte, vom Tisch nebenan, den Kirchplatz verließ.

Siegfried Walden




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