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  #1  
Alt 28.01.2007, 18:37
graupelchen graupelchen ist offline
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Standard AW: Wohin mit - der ganzen Wut und Hilflosigkeit?

Hallo Rosine,
mensch ihr habt ja schon richtig ausgiebig zusammen gekämpft, Du und Deine Freundin!
Auch wenn ich bzgl. der Befunde wirklich gerne helfen würd, ich versteh sie auch nicht. (Meine Mutter hat Brustkrebs)
Würd Dir aber empfehlen, nochmal in den jeweiligen Krebsforen nachzufragen. Denn da sind direkt Betroffene, und die haben wirklich sehr viel Erfahrung mit Diagnosen, Befunden, Behandlungen usw.
Hier beim KrebsKompass bist Du auf jeden Fall an der richtigen Adresse viel zu lernen über die Krankheit deiner Freundin.
Ausserdem kann man als Angehöriger hier auch mal die Luft rauslassen....meist steht man ja sonst eher im Hintergrund mit den Ängsten und so.

Dann wünsch ich euch beiden erst mal alles Gute und viel Kraft!
Lg Gabi
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  #2  
Alt 29.01.2007, 00:22
martinaIna martinaIna ist offline
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Standard AW: Wohin mit - der ganzen Wut und Hilflosigkeit?

Hallo Rosine,

ich versteh leider auch nichts davon, aber es klingt nicht, als wäre da viel Hoffnung zu erwarten. Ich fürchte, Deine Freundin wird an Krebs sterben. Aber vielleicht können Dir andere das alles genauer erklären.

Ärzte, das ist ein eigenes Kapitel und Ärzte und die Auseinandersetzung mit dem Tod ist oft ein sehr trauriges. Aber im Prinzip erfüllen die Ärzte genau das momentane Bedürfniss Deiner Freundin. Sie will's nicht wissen und die Ärzte drücken es schön unverständlich aus.

Nun zu Dir und deiner Rolle:
Du würdest anders damit umgehen. Du willst wissen, was los ist. Erkundige dich, mach Dich schlau aber mach es für Dich. Deine Freundin ist noch nicht so weit. Wenn sie sich (noch nicht) damit auseinander setzten will, kannst und sollst Du sie nicht dazu zwingen. So hart es ist: Sie gibt das Tempo vor, nicht Du. Und wenn sie verleugnen will, dann muß sie das auch dürfen.

Jeder Mensch trauert anders und jeder Mensch setzt sich anders mit Schicksalsschlägen auseinander. Wer sagt, welche Vorgehensweise die Bessere ist? Wer gibt das Recht, zu richten?

Was Du tun kannst?
Ich glaube es hilft Dir (und vielleicht später mal auch Deiner Freundin) wenn Du genauer einsortieren kannst, was die Befunde bedeuten. Also bring es in Erfahrung.
Du kannst Deiner Freundin sagen, dass Du für sie da sein wirst- auch wenn sie mit Dir über den Krebs reden will oder übers Sterben. Aber sei genauso für sie da, wenn Sie sich über die neue Sommermode oder den anstehenden Hausputz oder die Kapriolen der Männer unterhalten will. Laß ihr die Zeit, dräng sie nicht, sei einfach da und gut ist. Vielleicht braucht sie das Gespräch über den Hausputz jetzt dringender.
Sei ne Hilfe in den kleinen praktischen Dingen. Mal ne Fahrt erledigen, was im Haushalt helfen, evtl. Kinder und Ehemann betreuen. So halt.

Sei einfach für sie da und erwarte nicht, dass sie es so macht, wie Du es tätest. Dafür seid ihr Freundinnen und nicht Klone.

Ansonsten gibts natürlich viel , was Du in Petto haben kannst an Informationen, falls es jemand irgendwann mal braucht. (Wie stelle ich einen Antrag auf Pflegestufe? Wo ist ein guter Schmerztherapeut, falls es da Probleme geben sollte? Welche Einrichtungen leisten gute Pflegearbeit?)
Vieles kannst Du hier finden.

Wir lesen voneinander.
Liebe Grüße
martina
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  #3  
Alt 30.01.2007, 14:57
dorchen83 dorchen83 ist offline
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Standard AW: Wohin mit - der ganzen Wut und Hilflosigkeit?

Hallo liebe Rosine,

da dir bisher noch keiner weitere Informationen zu den "Kürzeln und Zahlen" gegeben hat, wollte ich das zunächst einmal nachholen, bevor ich auch auf deine Gefühle eingehe - die ja eigentlich am Wichtigsten sind...

Nun die Kürzeln und Zahlen sind ein sogenanntes "Staging" des Tumors - sie machen aussagen darüber, im welchem Zustand/ Grad er vorliegt (manchmal können darüber auch keine genauen aussagen getroffen werden, dann steht hinter dem jeweiligen Punkt ein X)
T = steht für den Primärtumor - seine Größe und örtliche Ausdehnung wird damit beschrieben, die Skala geht von 0 (nicht vorhanden) bis 4. Da deine Freundin ein T4 hatte, scheint der Tumor deiner Freundin leider sehr groß gewesen zu sein.
N= steht für Lymphknotenmetastasen bzw. befallene Lymphknoten in der direkten Umgebung des Tumors (wären Lymphknoten befallen, die weiter weg vom Tumor liegen, dann wären das bereits -> M = Fernmetastasen). Die Skala geht auch hier von 0 (nicht vorhanden) bis 4. Es heisst also, das im näheren Umfeld des Tumors in einigen Lymphknoten ebenfalls Tumorzellen nachgewiesen werden konnten.
M= Fernmetastasen. Da M= 0 konnten bei der ersten Op noch keine Fernmetastasen festgestellt werden (es heisst nicht, dass keine da waren - manchmal werden sie übersehen).

G= beschreibt das Wachstum bzw. die Bösartigkeit (also in gewisser weise den "Grad") des Tumors. Es ist die gleiche Skala wie bei den anderen Zahlen. mit der Einstufung 2-3 ist der Tumor also auch relativ schnell wachsend bzw. aggressiv (also zumindest wird er so eingestuft).

Das war ja 2002. Nun sind weitere (auch Fernmetastasen) aufgetaucht. Es sieht also wie es scheint wirklich nicht sehr gut aus . Es tut mir leid. Wenn du dich weiter bzw. genauer informieren willst (bin in dem Sinne ja nur Laie) versuche zu googeln. Man bekommt im Netz viele informationen auch auf der Krebskompassseite selbst.

Was mir aber noch wichtig ist, dir mitzugeben: Manchmal werden Therapien nur gemacht um zu beruhigen - wenn sie wirklich sinnvoll ist, dann her mit jeder Therapie... aber jemanden durch eine Therapie quälen, auch wenn man weiß die Person hat keine Chance, bzw. diese Therapie bringt mit größter Wahrscheinlichkeit keine besserung bzw. verschlechtert den Allgemeinzustand nur noch (Bestrahlungen und Chemos sind sehr aggressiv und das Immunsystem und der ganze Körper leidet ungemein), dann muss man sich fragen, ob es das wert ist. Bitte versteh mich nciht falsch. Ich würde mir wünschen, es gäbe eine Methode, die deiner Freundin helfen bzw. sie heilen könnte. Aber manchmal gibt es halt auch leider nichts, was "helfen" würde, auch wenn es schwer zu akzeptieren ist. Bitte unterstütze deine Freundin auch wenn du ihre Entscheidung vielleciht nicht nachvollziehen kannst - das ist wichtig. Mach ihr keine Vorwürfe nicht zu kämpfen - sie kämpft - um ihr Leben und ihre Lebensqualität.

Ich würde gerne noch viel schreiben, muss aber leider jetzt aufhören - mein Dad ist grad aufgestanden, deshalb muss ich mich jetzt um ihn kümmern! Aber cih möchte dir noch sagen, dass ich es toll finde, wie sehr du dich für deine Freundin einsetzt! Ich bin froh, dass sie dich hat!

Eine liebe Umarmung

Dorchen

Seid lieb umarmt
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  #4  
Alt 30.01.2007, 19:21
Benutzerbild von Erle
Erle Erle ist offline
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Standard AW: Wohin mit - der ganzen Wut und Hilflosigkeit?

Liebe Rosine,

ich hoffe von ganzem Herzen, Deine Wut ist ein kleines bißchen gewichen. Wenn nicht, ein Tip: Mach nen Hefeteig. Nein, ich will Dich nicht versch**** Klopp und knete ihn wie verrückt, bis Deine Kraft weicht und Du erlösende Tränen findest. Ich schwöre Dir, das Rezept hilft.

Ich kann alles, was meine Vorschreiber an Ratschlägen gegeben haben, nur unterstreichen. Ich möchte nur noch eines hinzufügen.

Bleib nicht wütend und frag nicht warum, warum gerade sie. Das bringt gar nichts und nimmt nur Kraft.
Mein Mann und ich haben uns fest vorgenommen, die Zeit, die uns bleibt, intensiv zu nutzen. Er hatte ein Magen-CA und nun Lebermetas, wird palliativ behandelt. Wir fragen nicht, wieviel Zeit noch bleibt. Wir nutzen jeden Tag.

Als mein Mann 3 Wochen vor Weihnachten sagte, ach eigentlich wollte ich immer mal nach HH ins Miniaturwunderland, da hab ich heimlich über Silvester gebucht. Er hat sich so gefreut. Letzte Woche hatte er Geburtstag, ich hab zwei kleine Überraschungsfeten für ihn organisiert, mit alten Kumpeln und Freunden.

Jedes "WArum" macht den Tag kaputt, und wer weiß, wieviel Tage wir noch haben. Willst Du mehr wissen, lies mal im Leberkrebsforum unter "Behandlung von Lebermetastasen".

Die oben genannten Tips (Erledige Fahrten, kümmer Dich um die Kinder usw) sind wirklich gut und das allerbeste, was Du machen kannst.

Ich drücke Dich herzlich und hoffe, Du findest die Kraft, die Du brauchst. Bitte halt uns auf dem Laufenden.
Alles Liebe Erle
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  #5  
Alt 31.01.2007, 08:20
Rosine Rosine ist offline
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Standard AW: Wohin mit - der ganzen Wut und Hilflosigkeit?

Hallo!

Ich danke Euch für die Antworten... man fühlt sich doch gleich nicht mehr - so allein (auch wenn man besonders hier lesen kann, dass es doch sooo viele Betroffene gibt).

Inzwischen hab ich hier weitergelesen und auch gegoogelt und gehe gezwungenermaßen davon aus, daß - es eine Zeitfrage wird. Die Fortsetzung der Chemo - wird sie (vielleicht) beruhigen, denn: Es wird etwas getan und dann geht's auch weiter!

Diesen Gedanken lass ich ihr - den mach ich nicht kaputt. Sauer war ich nur, weil man ihr im KH eben - erst gesagt hat: Wir können nichts mehr tun - und dann - doch noch eine Chemo. Das fand ich unglaublich. Aber - wenn es ihr - irgendwie - weiterhilft...

Ich bin auch meilenweit davon entfernt, ihr Vorwürfe zu machen, daß sie (noch) nicht bereit ist, sich damit zu befassen, daß es - auch im fünften Jahr - einfach "ernst" ist. Das wird sie - vermutlich - nicht einmal - im letzten Moment - zugeben mögen. Das gilt meines Erachtens auch für ihre Familie.

Was mich hingegen richtig auf die Palme brachte, war - 10 Tage nach der OP - vom KH nach Hause - und schnurstracks zur Waschmaschine... und NEIN - ich brauch keine Hilfe - ich mach das schon - ich hab das immer gemacht!

Ich sag - seit Jahren - nichts dazu. Ich nehm es zur Kenntnis, ich laß sie, denn alles andere - würde sie auf die Palme bringen. Manchmal, wenn sie eine schwache Minute hat, dann laß ich anklingen, sie sollte vielleicht ein wenig Rücksicht auf sich selbst nehmen, sich ein bißchen Ruhe gönnen, auch mal fünfe grade sein lassen - aber das will sie alles gar nicht hören. Sie war immer eine Arbeitsbiene und meint: Es geht alles einfach weiter! Sie geht nicht zur Kur, nicht in Urlaub. Sie will - alles nicht. Und schon gar keine Hilfe im Sinne von - Handreichungen oder Botendiensten - da flippt sie richtig aus.

Irgendwo - kann ich sie - sogar verstehen. Solange sie putzt, wäscht, bügelt macht und tut - beschäftigt ist, kann sie nicht grübeln, nicht nachdenken (meint sie). Solange sie noch - funktioniert - kann es nicht - schlimm sein.

Aber sie - kennt keine Grenzen. Sie verausgabt sich. Sie achtet nicht auf sich. Sie ist nicht zu bremsen. Von niemandem. Und nach jeder OP, nach jeder Chemo - wird sie sichtbar weniger - und macht grad so weiter.

Das mitanzusehen - und still zu halten - ist schwer, es tut weh. Und es hilft nicht, daß sie zumindest momentan duldet, wenn man ihr Getränkekästen oder Wäschekörbe tragen darf - aber das ist - das Höchste, was sie - zuläßt.

Es bleibt mir nach außen - nicht viel mehr als zu akzeptieren: Arbeit ist ihre - Medizin.

Nur wird sie dadurch letztendlich - nicht gesunden. Dieses Becherzell-Karzinoid - gehört wohl in den Bereich der neuro-endokrinen - und wo es wirklich in ihr wohnt, ist den Ärzten anscheinend auch nicht klar. Die Metas im Bauchfell lassen sich von der Chemo und den Antikörpern - nicht beeindrucken - und herausschneiden kann man sie auch nicht.

Was also bleibt? Mich schlau machen, so gut es geht. Für die uninformierte und dadurch - unteressiert wirkende - Familie eine Notfall-Liste bauen, wenn es ihr - irgendwann - schlecht geht, damit die wissen, wer wo was tun kann...

Da sein, wenn's - schlimm wird - für sie. Wenn sie - sagt: Es geht mir schlecht. Aber wird sie das? Ich habe -berechtigte- Zweifel.

Da sein, für sie - aber - wohl auch für die Familie, die - das zur Zeit sicher als Einmischung auffasst, was mich aber nicht wirklich fern- und abhält.

Wegfahren - will sie nicht, Urlaub machen - will sie nicht - Konzert-Theater - irgendwas - will sie alles alles nicht.

Ihr seht - ich hab nicht wirklich - viele Möglichkeiten *seufz*.

Aber ich bin froh, hierher gefunden zu haben.

Gruß Rosine
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  #6  
Alt 02.02.2007, 00:13
martinaIna martinaIna ist offline
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Standard AW: Wohin mit - der ganzen Wut und Hilflosigkeit?

Hallo Rosine,

nö, das ist wirklich nicht einfach da zuzusehen.
Irgendwie bist Du wohl auch eine "Arbeitsbiene" - nicht?

Vielleicht, wenn Du dich so gut zurückhältst und damit ja auch Druck weg nimmst, vielleicht kommt sie ja dann ganz langsam aus ihrem Ich-brauche-keine-Hilfe-Schneckenhaus.

Einen Versuch ist's wert. Wenn nicht, dann hast Du ihr immerhin etwas geschenkt, was Dir sicher viel schwerer fällt, als mitanzupacken und zu tun und zu machen: Deine Freundschaft, bei der sie bestimmen darf und Du ihr die Führung läßt. Und wenn sie auf der Stelle stehen bleibt, dann steh halt bei ihr. (ich weiß, ist leicht reden...ääähh...schreiben.)

Schau, sie verliert so viel, auch soviel Kontrolle, vielleicht tuts da mal gut, sich zu beweisen, was man noch im Griff hat (und wenns das Bedienen einer Waschmaschine ist).

Das ist sicher die schwerste Lektion, die wir alle irgendwann lernen müssen: Von anderen Hilfe anzunehmen und selbst los zu lassen.

Aber eine andere Frage: Was hast Du von dieser Freundschaft?
Was gibt sie Dir? Was ist Eure Basis?

Ich wünsch Dir eine geruhsame Nacht (auch wenn ich nicht der Uli Wickert bin) und wunderschöne Träume.
martina
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  #7  
Alt 04.02.2007, 10:15
Rosine Rosine ist offline
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Standard AW: Wohin mit - der ganzen Wut und Hilflosigkeit?

Zitat:
Zitat von martinaIna Beitrag anzeigen
Aber eine andere Frage: Was hast Du von dieser Freundschaft?
Was gibt sie Dir? Was ist Eure Basis?
Hallo martinaIna, hallo ihr Lieben!

Ich will mal versuchen, die Frage zu beantworten. Vor 15 Jahren - fing ich bei dieser Frau an zu arbeiten. Sie war in einem mittleren Unternehmen meine Vorgesetzte. Das hat sie aber nie heraushängen lassen. Ich hab sie sehr bewundert, denn relativ frisch nach der Ausbildung kriegt man gewöhnlich noch nichts wirklich auf die Reihe - und bei ihr wirkte immer alles - als würde sie es mit links und aus dem Handgelenk ganz locker und easy bewerkstelligen.

Sie hat sich soviel Mühe mit mir gegeben damals. Verlor nie die Geduld, wenn sie mir was zum siebenundneunzigsten Mal erklären mußte, weil's nicht in meinen Dickschädel wollte. Ich hab von ihr so viel lernen können - und dürfen.

Als ich dann so - einigermaßen - 'brauchbar' war, haben wir - richtig gut und angenehm Hand in Hand arbeiten können, was aus heutiger Sicht überhaupt nichts Selbstverständliches ist. Ganz unmerklich schlich sich eine Vertrautheit ein, die ein gegenseitiges 'Bemuttern' mit sich brachte - ich brachte ihr frischen Kaffee mit - sich schickte mich - in die Pause - so in dieser Art. Also alles nix wirklich aufregendes.

Irgendwann sind wir nach der Arbeit noch auf 'nen Kaffee oder einen Wein weggegangen und fingen an, uns über "Gott und die Welt" auszutauschen. Als ich heftigen Liebeskummer ausfocht, übernahm sie nach meinem Empfinden ein ganzes Stück weit die Rolle einer "Ersatzmutter" für mich, nahm mich auch mit in ihre Familie und ich fühlte mich in ihrer Nähe wohl und gut aufgehoben.

Wir haben uns lange gesiezt. Keiner hat's verstanden, viele haben gesagt: Ihr seid doch befreundet, warum duzt ihr euch nicht?
Wir haben's - nicht gebraucht, wir haben uns auch so verstanden.

Es ergab sich dann irgendwann doch, als wir anläßlich gemeinsamer Vorbereitungen zu einem größeren Grillfest (es war wohl ein runder Geburtstag in ihrer Familie) im Eifer des Gefechts einander einfach mit dem Du ansprachen - und sie meinte: Jetzt - lassen wir's dabei.

Seltsam. Solange es ihr gut ging - durfte ich helfen. Ganz selbstverständlich.
Auch, als ich wieder einen Freund hatte, kam sie nicht mit den Sprüchen an, die sie heute drauf hat: Du - hast doch selbst - genug zu tun!

Als sie vor fünf Jahren erkrankte, dauerte es noch ein knappes Jahr, bis der Betrieb, in dem wir uns kennenlernten, geschlossen wurde. Sie wäre ohnehin nicht zurückgekehrt, denn ihre Tochter bekam damals ihr Kind. Da sie alleinerziehend ist und auf jeden Fall ihren Job behalten wollte, wurde die "Oma" dringend zuhause gebraucht.

Heute? Wäre sie ohnehin im vorgezogenen Ruhestand, den sie immer im Auge hatte.

Sie hat nie anklingen lassen, dass sie ihren Job vermißt. Nach der ersten OP hatte sie ja auch keine Zeit dafür.

Sie kümmerte sich um ihr Haus, ihren Nutzgarten, den Enkel, ihre Mutter und deren Haushalt, den ihrer berufstätigen Tochter. Sie fing an - abzublocken und zu mauern. Ihr Mann nahm zähneknirschend zur Kenntnis, daß sie -vorzeitig ihre Kur abbrach - um zuhause ihre Arbeit machen zu können. Ich habe manche - ja, fast schon Auseinandersetzung - mitangehört, wenn er sie dazu überreden wollte, daß sie einfach - ein bißchen kürzer tritt.
Er zieht da - auch heute noch - genauso den Kürzen wie ich. Null Chance.

Wenn sie nicht mehr da sein wird, dann verliere ich einen mir lieb und vertraut gewordenen Menschen, mit dem ich - lachen und weinen, blödeln und ernst sein konnte, der mir vieles gezeigt und beigebracht hat - und das nicht nur arbeitstechnisch. Mein Gefühl sagt mir, daß ich das, was sie mir im Laufe all der Jahre gegeben hat, ohnehin nicht - zurückgeben kann.
Es wird wohl ganz ähnlich sein - wenn man seine Mutter - gehen lassen muß.

Aber - solche "Gefühlsduseleien" - kann sie ja nicht leiden. Wenn ich mich zwischendrin mal hinreißen ließ, zu sagen wie froh ich bin, daß ich sie kenn - tat sie das stets mit einem sinnesgemäßen: "jaja - schon gut" einfach ab.

Gefühle - sind einfach etwas, was man in dieser Familie - nur im stillen Kämmerlein hat.

Ich - schlepp meine - jetzt halt hierher. Mein Mann hat sich meine Sorgen und Gedanken bisher mit wahrhaft meisterlicher Geduld angehört und mit mir Wege gesucht. Unlängst meinte er- sicher nicht zu unrecht: Wenn sie keine Hilfe will - such Du Dir welche, damit Du mir nicht daran erstickst!

Grüße von einer nachdenklichen Rosine - die Euch allen die nötige Kraft wünscht
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