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  #1  
Alt 12.08.2007, 21:38
Benutzerbild von hope38
hope38 hope38 ist offline
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Standard AW: 1 Jahr ist vergangen....

Liebe Katrin!
Wir kennen uns ja schon!

Obwohl ich mich gerade aus dem Forum sehr zurückziehe, lese ich Deine Beiträge sehr gern. Es gibt Parallelen zwischen uns und unserem Denken, nicht wahr?
Mir geht es zur Zeit richtig gut. Ich habe großen Abstand bekommen, ein fast unwirkliches Gefühl. Es ist still und friedlich in mir. Das kam durch unseren Urlaub, den wir gerade verbracht haben. Ich habe von dort sehr viel Zuversicht mitgenommen. Ich hoffe, das Gefühl bleibt mir noch lange erhalten!

Um mir selbst klar zu werden, was diese Krankheit für mich bedeutet hat, habe ich das mal in einem "Gedankentext" vor einiger Zeit verfaßt. So in etwa sieht es in mir aus, wenn ich an das letzte Jahr denke:

Das Bild meines Lebens

Als ich geboren wurde, bekam ich "mein" Boot. Dort wurde ich hineingesetzt und fuhr auf dem Fahrwasser meines Lebens. Eine ruhige Fahrt, manchmal schneller, manchmal kurvig, meistens bedächtig.
Mein Boot fuhr auf diesem riiiieeeeesen Meer neben ganz vielen anderen Booten und bald war ich nicht mehr allein. Ich hatte einen Partner und viele kleine Begleiter neben mir.
Plötzlich stieß aus dem Wasser, an Heftigkeit kaum zu überbieten, der Tsunami, der mich aus dem Boot spülte. Ich wurde zuerst in die Luft geschleudert, um gleich darauf tief hinunter zu fallen, zu fallen, zu fallen. Hart schlug ich auf, konnte nicht mehr erkennen, wo ich war. Wie durch einen Schleier sah ich meine geliebten Menschen, sie riefen, sie winkten und doch war ich nicht in der Lage, meine Hand zu heben oder gar zu schreien. Jeder Ton schien in der Kehle festzustecken. Was um Himmels Willen war passiert?
Ich sah mein Boot, es war kaputt, es hatte Löcher, Bretter waren abgerissen und doch mußte ich wieder hinein. Es war das einzige, das mir paßte. Mit größter Anstrengung kletterte ich hinein. Ich spürte, ich hatte das Ruder abgegeben, war nicht mehr Herr der Lage, nicht mehr Herr meines Lebens. Ein Gefühl von Traurigkeit umfing mich, Kälte und Einsamkeit, die ich so sehr spürte, daß es in meinem Herzen schmerzte. Tränen rannen herab, manche wurden geschluckt, manche bahnten sich anders ihren Weg.
Zu den seelischen Schmerzen, die mich machtlos auf den Planken meines kleinen Bootes zurückließen, kamen die körperlichen. Ich war entblößt, mußte intimste Körperteile fremden Menschen zeigen, mußte durch Röhren hindurch, die so laut waren, daß der Lärm fast meine Gedanken übertönte, mußte auf harten Plastikstühlen warten, bis mir gesagt wurde, wie groß der Schaden sein würde.
Dann irgendwann, als man mir Werkzeuge gegeben hatte, als man anfing, das Boot zu reparieren, konnte ich mithelfen. Unter Tränen, Wut, Trauer besah ich mein neues Boot. Manche Leckagestellen würde ich nie mehr flicken können, aber die Löcher waren zu, so daß ich nicht mehr Gefahr lief, unter zu gehen.
Auch konnte ich die Stimmen und die Wärme der geliebten Menschen wieder hören und spüren, konnte die Umarmungen zulassen und sie sogar suchen. Konnte die Sonne sehen, die warme Sonne. Den Horizont immer ein bißchen mehr.
Und dann kam der Tag, da alle Handwerker mich allein ließen auf meinem Boot. Ihre Arbeit war beendet und in dem Moment wurde mir klar, daß meine nun begann. Mein Boot war verändert. Ich fand mich nicht zurecht. Manchmal glaubte ich sogar, daß der Kompass ganz anders anzeigen würde. Auf nichts war mehr Verlass. Alles mußte ich neu lernen.
Ich fuhr wieder hinaus, hinaus aufs Meer. Manchen Sturm habe ich erlebt und sogar überlebt. Und jedes Mal habe ich mehr Kraft bekommen.
Ich weiß nicht, wohin meine Reise geht. Ich reise aber jetzt. Vielleicht liegen tausende Seemeilen vor mir, vielleicht nur noch wenige. Ich kann es nicht vorhersehen, ich weiß es nicht. Aber ich weiß, auch wenn ich das Ufer nicht sehe, es gibt da ein Band, das mich hält, das mich zurückzieht, wenn es mir nicht mehr gelingen mag, über Wasser zu bleiben. Ein Band, das aus Liebe geknüpft ist. Ich werde gehalten. Und ich reise in diesem Bewußtsein JETZT in meiner Zeit nach meinem ganz eigenen Kompass!!!


Ganz liebe Grüße,

hope
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  #2  
Alt 13.08.2007, 08:47
Benutzerbild von Katrin A.
Katrin A. Katrin A. ist offline
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Beiträge: 376
Standard AW: 1 Jahr ist vergangen....

Hallo,ihr Lieben.

Vielen Dank für eure Erfahrungen/Beiträge.
Ich hab sie mit großem Interesse gelesen.
Ich hab mich in vielen Dingen wiedererkannt.
Ich bewundere es,wenn man nach der Diagnose sein Leben neu in
die Hand nimmt.
Leider lese ich auch,das wir alle die gleichen Ängst haben.
Ängste auf die wir gerne verzichtet hätten.
Aber nun sind sie da und wir finden unseren Weg damit umzugehen.

Wenn ich genau überlege,habe ich in meinem Leben fast nichts geändert.
Am meisten geändert hat sich meine Haarfrisur.
Das ist bestimmt nicht richtig so....
Aber ich habe das Gefühl das ich erst jetzt die Kraft und den Willen habe etwas zu ändern.
Die etwas "gelähmte " Haltung verschwindet allmählich.

Um die Worte von Hope aufzugreifen,ich habe erst jetzt die Ruder für mein
Boot wieder.
Und ich müßte noch einiges ändern.......

Ich wünsche euch allen alles Liebe und Gute........
Und das wir uns spätestens nächstes Jahr im Thread: 2 Jahre sind nun vergangen wiederhören.....

@Hope.Ja wir kennen uns.Danke für deine Gedankenreise.
Hatte Gänsehaut beim Lesen und kann die Geschichte so nur zu gut verstehen.
Wünsche dir und deinem BOOT eine schöne Reise ohne weiteren Sturm,
Unwetter oder böse Überraschungen.......

Liebe Grüße,Katrin
__________________
]
Mach kaputt-was dich kaputt macht
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  #3  
Alt 29.08.2007, 20:33
Gerlinde31 Gerlinde31 ist offline
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Ort: Niederösterreich
Beiträge: 152
Standard AW: 1 Jahr ist vergangen....

Hallo liebe Kartin!

Bin leider erst heute über Deinen Beitrag gestolpert. Ich hatte mein "Einjähriges" am 20.7.

Es tut gut Deinen Beítrag zu lesen. Ich empfinde genau so. Während der Chemo gings mir psychisch wirklich gut, aber ein Jahr danach ......

Mich verfolgt immer mehr die Angst, dass diese Krankheit wieder kommt und mich dann umbringt.

Vielleicht hast Du bei den Brustkrebs-Beiträgen von Ramona gelesen. Ich kannte sie nicht, kann es aber nicht aus dem Kopf bekommen. Es macht mich fast wahnsinnig, dass es dann plötzlich bei manchen so schnell geht und man ist nicht mehr da.

Wie Du auch schreibst, hat sich bei mir eigentlich auch nur die Frisur verändert nach der Krankheit und ich arbeite nur noch 30 Std. Man fällt unheimlich schnell wieder in alte Muster. Und das macht mich dann auch noch fertig, weil ich denke, ich bin "selber schuld" wenns mich wieder erwischt, wenn ich mich über z.B. das Büro ärgere. Sollten wir darüber nicht erhaben sein?

Wie hast Du Dein Einjähriges gefeiert?

Liebe Grüße und alles Liebe für Dich
Gerlinde
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  #4  
Alt 29.08.2007, 21:34
Maya55 Maya55 ist offline
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Beiträge: 66
Standard AW: 1 Jahr ist vergangen....

Hallo zusammen.

Mit großem Interesse habe ich diesem Thread gelesen.

Ich bin nur ein Angehöriger. Meine Frau hat diesen Sommer die Diagnose adenoid-zystisches Karzinom erhalten.

Was ich aus den Beiträgen herausgelesen habe ist, dass wohl die seelische Betreuung von Krebspatienten ein wichtiger Aspekt ist.

Im Spiegel erschien kürzlich (Nr. 58 vom 13.8.07) ein Artikel über eine Studie mit der Fragestellung "Verlängert Pschychotherapie das Leben von Tumorpatienten?"

Die Überlebenschance in der Gruppe mit Psychotherapie hatte sich mehr als verdoppelt.

Der komplette Artikel kann eingesehen werden unter:

http://service.spiegel.de/digas/find?DID=52559443

Man sollte alles nutzen was hilft.

Ich wünsche Euch allen viel Kraft und Gesundheit.

Hans
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  #5  
Alt 15.10.2007, 22:12
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suze2 suze2 ist offline
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Standard AW: 1 Jahr ist vergangen....

2 jahre sind bei mir nun schon vergangen, genau genommen zweieinhalb - und bei mir war es fast wie umgekehrt - die diagnose, die chemo, das hab ich unheimlich intensiv erlebt, auch ganz stark die freude am leben, wenn ich zb. wieder in form war nach der chemo und spazieren oder wandern konnte. es waren richtige euphorien, richtige berge und: täler eben auch. hatte sehr viel geweint. aber auch gelacht. und viel schönes auch erlebt. unterstützung von freundInnen, z.b.

jetzt gehts mir ein bisschen so, wie es mona schreibt: die angst ist da, nicht immer, aber oft. die unbeschwertheit ist futsch.
die berge, die euphorien sind nicht mehr so hoch. die täler auch nicht mehr so tief.

ich arbeite, ich freue mich am dasein - aber die angst, dieses wissen um die stete möglichkeit eines rückfalls - damit habe ich noch nicht den optimalen umgang gefunden - ich bin ganz baff, wenn ich von leuten lese, die ihre krankheit als kapitel betrachten, das sie nun abschließen können und der satz, "den krebs loslassen", den ich neulich gelesen hab, hat mich nachdenklich gemacht.

beste wünsche an euch alle
suzie
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  #6  
Alt 21.10.2007, 11:43
Mona66 Mona66 ist offline
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Standard AW: 1 Jahr ist vergangen....

Liebe Suzie

wenn schon einiges an Zeit vergangen ist, dann gibt es dir hoffentlich immer mehr Sicherheit...

Bei mir war es leider so, dass ich ein Frührezidiv habe. Ich hatte direkt nach Chemoende irgendwo ein Ziehen im Bauch, was sich nachher als tumorbedingte Verwachsung herausgestellt hat. Das Arbeiten hab ich im Moment aufgegeben und werde es möglicherweise nie wieder aufnehmen. Wer weiss das schon?

viele Grüße
Mona
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  #7  
Alt 21.10.2007, 16:15
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suze2 suze2 ist offline
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Standard AW: 1 Jahr ist vergangen....

liebe mona,

das ist natürlich sch......! tut mir so leid.
dein letzter beitrag, den mit der unsicherheit, der klang für mich sehr nachvollziehbar.

was bedeutet es denn nun? machst du wieder chemo, wirst du operiert, betrahlt? wann war denn deine ersterkrankung?
es klingt für mich so, als hättest du gern in deinem beruf gearbeitet, sodass ich dir wünsche, dass dies vielleicht wieder möglich sein wird. teilzeit, eine möglichkeit?
lass mal hören!

ich hab morgen eine meiner "nachsorgen" - ich habe leider das brustkrebsgen, sodass die nachsorge auch schon wieder vorsorge ist. für die restbrust, und die andere brust.

liebe mona, ich wünsch dir das allerbeste und allen anderen natürlich auch...

alles liebe
suzie
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