Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Angehörige

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 23.09.2007, 21:46
Gabriele M. Gabriele M. ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 21.09.2007
Beiträge: 75
Standard AW: Die Hilflosigkeit ist so groß

Hallo Ihr Lieben,

ich danke allen die mir antworten und auch denen, die stumm meine Hilflosigkeit teilen.

Komme gerade aus dem Krankenhaus. Heute morgen bei unserem "Morgengebet" wie mein Mann und unsere Tochter liebevoll die täglichen Telefonate zwischen Mutti und mir nennen bemerkte ich, dass Mutti eine sehr belegte Stimme hat. Das beunruhigte mich aber sie war so gut drauf und hat gescherzt und mit gesagt, dass die gleich mit Vati etwas auf dem Gang spazieren geht. Gegen Mittag rief Vati an, ich solle nachmittags zum Besuch neue Nachthemden mitbringen. Ausserdem ginge es Mutti sehr schlecht, sie habe gebrochen und man habe ihr eine Magensonde gelegt.
Als ich dann ins Krankenhaus kam der Schlag. Mutti wurde gerade nach unten gebracht zum Röntgen und Ultraschall. Diagnose: Darmverschluss!
Ich habe mit der Ärztin gesprochen, erst wollte sie nicht so richtig mit der Sprache heraus, besonders als ich wissen wollte, wie lange Mutti noch bleibt.
Ich sagte der Ärztin, sie möge uns doch bitte nicht verwehren, Abschied zu nehmen, nicht das irgendjemand von ihren Kindern, Geschwistern oder anderen Menschen die sie gern hat und die Mutti gern haben zu spät kommen und sich nicht mehr verabschieden können.
Die Ärztin sagte nur: dann fangen sie jetzt an und sagen sie allen Bescheid. Auf Vatis Wunsch haben wir ihr immer noch nicht gesagt, dass es zuende geht. Sie hat aber mehrfach gefragt, ob wir mehr wissen. Ich glaube, sie weiss was los ist, sie ist eine intelligente Frau und kann 1 + 1 zusammenzählen.
Mein Vater bleibt die ganze Nacht bei ihr, auch ihre jüngere Schwester wird lange bleiben.
Als ich den Hund meiner Eltern heute zu uns geholt habe und in mein Elternhaus ging hat es mir fast das Herz zerrissen. Alles ist noch so, wie es bei Mutti immer ist. Alles blitzeblank, alles steht am richtigen Fleck, es richt nach Mutti und an der Garderobe hängt ihre Jacke und ihre Weste als wenn die Sachen darauf warten dass sie kommt, sie anzieht und wir spazieren gehen. Es tat so fürchterlich weh. Sie wird ihr Zuhause nicht wiedersehen, ihren Garten, ihre Blumen, .....
Ich kann kaum noch sehen was ich schreibe, bin blind vor Tränen.
Ich möchte Mutti noch so gern behalten, aber wenn es für sie zu anstrengend wird gönne ich ihr die Ruhe und den Frieden.
Es werden schwere Tage kommen und ich leide auch mit allen, die nicht das Glück haben, dass ihre kranken Angehörigen im gleichen Ort sind und sie nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit zu ihren Lieben gehen können und sie drücken können.

Eine leidende Tochter
Gabi

Geändert von Gabriele M. (23.09.2007 um 21:56 Uhr)
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 23.09.2007, 22:12
suse52 suse52 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 09.08.2006
Beiträge: 143
Standard AW: Die Hilflosigkeit ist so groß

(((Gabi)))
Es tut mir so Leid! Gott gebe dir und euch Kraft zum Abschiednehmen.
Suse
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 25.09.2007, 21:49
Gabriele M. Gabriele M. ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 21.09.2007
Beiträge: 75
Standard AW: Die Hilflosigkeit ist so groß

Hallo,

seit 2 Tagen durchleben wir ein Wechselbad der Gefühle. Gestern ging es Mutti überraschend sehr gut. Sie konnte aufstehen, im Gang hin und her gehen und sah sehr gut aus. Der dicke Bauch war weg und der Bauch war auch wieder weich. Sie wurde künstlich ernährt, was ihr sehr gut tat. Die Ärzte waren auch wieder zuversichtlich. Obwohl ich Angst vor dem "letzten Aufflackern" hatte konnten wir alle seit einigen Tagen wieder ruhig schlafen.
Heute morgen kam Vati und sagte, es sei doch alles vorbei. Der Darm sei wohl im oberen Bereich zu und Mutti wird nicht mehr viel Zeit haben. Alle Hoffnung brach zusammen.
Gegen Mittag kam er noch einmal und sagte, er habe noch einmal mit dem Oberarzt gesprochen. Man hat sich noch einmal untersucht. Eine kleine, dünne Darmpassage ist wohl doch noch frei und es besteht noch etwas Hoffnung.
Vati hat dann Mutti über ihren Zustand aufgeklärt - endlich, denn das ewige Lügen und die traurigen "weißt Du mehr" Blicke konnte ich kaum noch aushalten. Mutti hat die Wahrheit sehr gefasst aufgenommen. Als ich heute nachmittag bei ihr war haben wir lange gesprochen. Es tat uns beiden sehr gut - Mutti will sich nicht unterkriegen lassen. Auch Vati ist ruhiger geworden. Die ganze Atmosphäre ist entspannter.
Morgen wird Mutti operiert, ihr wird ein Port gelegt, damit man sie darüber künstlich ernähren kann. Wenn sie alles gut übersteht, wird man über eine Chemo sprechen. Ich habe Kontakt zu Dr. Müller aufgenommen und hoffe, dass er Mutti noch etwas helfen kann.
Hoffentlich geht morgen alles gut.

Hoffnungsvolle Grüße
Gabi
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 26.09.2007, 20:04
Kathleen Kathleen ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 20.10.2005
Beiträge: 95
Standard AW: Die Hilflosigkeit ist so groß

Liebe Gabi,

für einen Außenstehenden muss es unvorstellbar sein, was ihr alle zur Zeit durchmachen müsst.

Bei Deinem letzten Beitrag habe ich viel geweint, denn ich weiß ja leider, auch uns wird dieses Szenario früher oder später bevorstehen. Ich habe unbändige Angst davor, völlig zusammenzubrechen und nicht die nötige Kraft aufzubringen, meiner Mama in angemessener Weise beizustehen.

Ich hoffe, Ihr könnt Hr. Dr. Müller schnellstens alle notwendigen Unterlagen zur Verfügung stellen, damit er sich ein Bild von Deiner Mama machen kann. Wenn nicht er, dann kann ihr wohl keiner mehr helfen. Aber er gibt fast keinen auf. Du weißt, es wird keine Heilung auf Dauer sein, aber ein Zeitaufschub.

Ich werde an Euch denken!

Lass Dich umarmen und grüße mir Deine Familie insbesondere Deine Mama!

Liebe Grüße Kathleen
Mit Zitat antworten
  #5  
Alt 29.09.2007, 08:19
Gabriele M. Gabriele M. ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 21.09.2007
Beiträge: 75
Standard AW: Die Hilflosigkeit ist so groß

Hallo Ihr Lieben, die ihr mir in den vergangenen Tagen so viel Kraft gegeben habt.

Seit gestern geht mir Katja Ebsteins Lied "Wunder gibt es immer wieder
heute oder morgen können sie gescheh'n! Wunder gibt es immer wieder
wenn sie uns begegnen, musst du sie auch seh'n" nicht mehr aus dem Kopf.

Am Sonntag hat man unserer Mutti nur noch Stunden gegeben. Gestern sagte uns der Stationsarzt, dass sie noch einmal untersucht wird und wahrscheinlich am Montag oder Dienstag nach Hause darf. Dienstag? genau am 1. Geburtstag ihres Urenkelkindes!! Bisher kamen mir die Tränen aus Verzweiflung und Trauer, jetzt kommen sie aus Freude und Überwältigung der positiven Gefühle. Ich bin nicht gläubig im herkömmlichen Sinne aber ich habe das Beten wieder gelernt.

Seit gestern bekommt Mutti auch schon wieder ganz wenig feste Nahrung, da der Darm wohl wieder etwas freier geworden ist. Es kann jederzeit wieder etwas passieren - doch die negativen Gedanken haber jetzt erst einmal Pause und dürfen sich in die hinterste Ecke zurückziehen.

Gestern hat Mutti im Krankenbett gesessen, die Beine angewinkelt und mit uns diskutiert, ob wir ihr vorübergehend ein Schlafsofa ins Wohnzimmer stellen, damit sie die Treppen ins Schlafzimmer im 1. Stock nicht laufen soll. Als wenn es nichts wichtigeres gibt.

Nächste Woche soll dann die Besprechung zwecks Chemo sein.

Ich werde mich dann wieder melden.

All diejenigen, die jetzt Kraft und Zuversicht brauchen drücke ich.

Gruß
Gabi
Mit Zitat antworten
  #6  
Alt 29.09.2007, 08:59
suse52 suse52 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 09.08.2006
Beiträge: 143
Standard AW: Die Hilflosigkeit ist so groß

Wie schön! Ich freue mich mit.
suse
Mit Zitat antworten
  #7  
Alt 29.09.2007, 11:15
Benutzerbild von mock
mock mock ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 17.05.2007
Ort: Bayreuth
Beiträge: 226
Standard AW: Die Hilflosigkeit ist so groß

Liebe Gabi,

es tut sehr gut, deine Zeilen zu lesen. Du schreibst mir oft aus der Seele.
Es ist wirklich schön, dass sich das Blatt bei euch wieder gewendet hat.
Ich empfinde inzwischen jeden einzelnen Tag mit meinem Vater (und selbstverständlich meiner Mutter, auch um sie mache ich mir ja große Sorgen) als etwas so kostbares. Ich habe mir 3 Bücher von Elisabeth Kübler Ross gekauft (Sie ist so eine Art Sterbepsychologin) um mich auf die kommende schwere Zeit ein wenig einzustellen; ich möchte meinen Eltern in unseren Gesprächen ein wenig Angst nehmen - aber auch zwischen den Zeilen lesen können, wenn etwas ungesagt bleibt, lernen zu schweigen - nur dazusein. Natürlich macht mal als Tochter viel intuitiv , aber die Bücher können dabei sehr unterstützend sein.
Ich hoffe, dass uns (und allen anderen Betroffenen hier und überall) noch ganz viel Zeit mit unseren Lieben bleibt; Zeit - die auch für die Kranken noch Lebensqualität und schöne Stunden bereithält.
Alles Gute auf Euerem weiteren Weg,
liebe Grüße
Elke
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 22:26 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55