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  #1  
Alt 06.03.2008, 14:55
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Redaktöse Redaktöse ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Hallo ihr Lieben,
liebe Krabben,

gebissen werde ich gerade nicht, dazu ist der räumliche Abstand zu groß. Meine Mama erwischt es häufiger mal, aber daran hat sie sich gewöhnt. Die letzten zwei, drei Wochen waren einfach auf jedem Gebiet wahnsinnig anstregend. Auch darum habe ich wohl jetzt einen Mega-Schnupfen. Ich wurde zur Produktmanagerin unseres Garten-Reisemagazins befördert und habe die letzten Wochen im Schnitt sechs Tage in der Woche etwa zwölf Stunden gearbeitet. Dazu zeigt sich, dass natürlich auch meine Mutter manchmal nicht mehr kann. Sie ruft nun gelegentlich tagsüber weinend im Büro an. Ich will dann am liebsten sofort losfahren, kann aber einfach nicht und habe gerade auch nicht die Kraft dazu. Mein Vater ist sehr schwach und schläft viel. Vor allem aber baut er geistig ziemlich ab. Ihm fallen beim Sprechen nicht mehr die richtigen Worte ein oder er gibt im Krankenhaus eine falsche Telefonnummer an. Kleine Dinge, aber für meine Mutter und mich fundamental. Mama denkt immer noch, es muss doch mal wieder besser werden. Und ich fühle mich ob meines Pessimismus' schon ganz schuldig, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass alles wieder wie vorher wird, wenn die Chemo erstmal durch ist. Es ist ja nicht so, dass es ihm nur die Tage danach schlecht ginge und er sich dann wieder erholen würde. Es geht ihm immer gleich schlecht und im Laufe der letzten Zeit immer schlechter. Demnächst soll untersucht werden, ob das Ganze wenigstens irgendwas gebracht hat. Leider hab ich das Gefühl, ich weiß die Antwort schon jetzt.

Aber auch ich bin mir selbst ganz fremd geworden. Es gibt eigentlich nur noch Arbeit, auch weil ich dann nicht Nachdenken muss. Auch sonst gibt es immer etwas, was ich tun muss, und ich will einfach endlich einmal wieder das Gefühl haben, dass ich selbst mein Leben bestimmen kann, endlich auch einmal wieder Kraft und Lust haben, etwas zu unternehmen. Ich bin mich gerade selbst leid.

Regine
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  #2  
Alt 06.03.2008, 15:38
JessyCat JessyCat ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Hallo Regine,

ich möchte dich wissen lassen, dass auch "fremde" Menschen deine traurige und fast untragbare Geschichte lesen. Deshalb schicke ich Dir ein ganz, ganz großes Kraftpaket.

Viele Grüße aus Wiesbaden,

Jessy
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  #3  
Alt 06.03.2008, 17:54
Lissi 2 Lissi 2 ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Hallo liebe Regine,
ich kann mich Jessy nur anschliessen und Dir ein riesengroßes Kraftpaket schicken und einen Engel der Dir hilft das alles zubewältigen.Es ist so schlimm was dieser sche... Krebs mit uns allen, ob Betroffne oder Angehörige macht

LG Lissi
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  #4  
Alt 08.03.2008, 22:33
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Redaktöse Redaktöse ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Hallo ihr,

danke fürs Mitlesen. Es ist schön, dass sich jemand ein wenig Gedanken um einen selbst macht, wo ich mich doch so weit weg vom Rest der Welt fühle. Meine Mutter hat mit unserer Hausärztin gesprochen, die eine ziemlich negative, aber wohl realistische Prognose abgegeben hat. Es gibt nun immer öfter Phasen, in denen mein Vater desorientiert ist. Er erkannt dann Personen nicht mehr wieder oder findet sich an vertrauten Orten nicht mehr zurecht. Natürlich mache ich mir viele Gedanken deswegen, bin aber vor Überforderung immer wie gelähmt. Die Ärztin hat angeregt, uns eine Palliativstation anzuschauen und uns bezüglich Pflegestufen zu informieren. Aber das scheint mir alles unmöglich. Ich schaffe das alles irgendwie nicht.
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  #5  
Alt 11.03.2008, 17:17
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HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Liebe Regine,

aus schmerzlicher Erfahrung, meine Frau starb am 24.02., kann ich euch nur ebenfalls dringend raten: schaut euch rechtzeitig nach einer Palliativ-Klinik um. Leitet alles in die Wege, dass ihr, wenn es soweit ist, vorbereitet seid.

Dort kann deinem Vater geholfen werden. Und euch. Sollte es dann zum Abschied kommen (manchmal geschehen allerdings auch noch Wunder), dann braucht ihr alle Kraft um ihn zu begleiten. Lasst euch das bitte nicht nehmen, auch wenn es schwer ist.

Gottes Segen für deinen Vater, deine Mutter und dich,

Helmut
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  #6  
Alt 18.03.2008, 22:49
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Redaktöse Redaktöse ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Liebe Krabbe, lieber Helmut,

ich habe viel an euch und an die Menschen auf dieser Seite gedacht. - Und mich vor dem Schreiben gedrückt. Ich kann gar nichts erzählen und fühle mich ziemlich schuldig, eingestehen zu müssen, dass ich/wir von den Dingen, die für meinen Vater in Angriff genommen werden sollten, immer noch nichts in die Hand genommen habe/n. Bei jedem Telefonat sagen meine Mutter und ich einander: "Wir sollten unbedingt ..." "Es wäre gut, wenn ..." "Wir müssen dringend mal ..." Aber: NICHTS. Das ist so ein Aberwitz! Ich habe einen Job, wo ich täglich tausend auch unangenehme Dinge erledigen muss, Anrufe tätige und Anfragen stelle, aber vor mir ein kranker Vater und ich werde zum Mäuschen.

Freitag vor Ostern fahre ich hin. Er ist schwach, müde, agressiv und leicht dement. Und ich wäre am liebsten schon wieder zurück in meiner Wohnung.

Liebe Krabbe, ich drück dich feste und denk an dich.

Regine
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  #7  
Alt 19.03.2008, 01:12
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Hallo Regine,

ich habe es am eigenen Leib erfahren, wie schwer es ist Entscheidungen zu treffen für einen geliebten Menschen. Ich habe vor meiner Frau gesessen. Ich habe geheult wie ein Schlosshund und sagte zu ihr: "Ich weiss nicht mehr weiter. Ich weiss nicht mehr wie ich dir helfen kann. Ich bin am Ende meiner Kraft". Sie hat mich nur angeschaut und sagte nur: "Bitte hilf mir". Verzweifelt habe ich ihr Wasser zu trinken gegeben, obwohl sie keines wollte. Habe darum gebettelt, dass sie sich an den Tisch setzt zu Essen. Habe sie angefleht etwas zu essen. Habe sie in den Arm genommen, ein Kissen auf an meine Schulter gelegt, dass sie besser sitzen kann. Alles mögliche habe ich versucht.

Am Nachmittag kam unsere Jüngste von der Arbeit. Ihr ging es nicht besser als mir.

Dann haben wir uns besprochen. Gegen 16 Uhr habe ich den Notarzt gerufen. Bis jetzt hatte sie sich immer mit aller Kraft gegen das Krankenhaus gewehrt, selbst das ging nicht mehr. Die Entscheidung ist mir sehr, sehr schwer gefallen, es gab keinen anderen Weg.

24 Stunden später war sie tot. Alles andere wäre falsch gewesen. Allein die Vorstellung, meine Frau hätte zu Hause sterben müssen, ist schrecklich. Ich könnte mir das nie verzeihen. Ihr Tot wäre grausam gewesen.

Du MUSST dich zusammenreissen. Du MUSST die initiative jetzt ergreifen, bevor es zu spät ist. Auch wenn du das Gefühl hast deinen Vater abzuschieben, zu verraten, aufzugeben. Du hast keine andere Wahl. Du kannst ihm nur so und nicht anders helfen.

Also: hoch den Hintern und schieb nicht deine Arbeit vor. Du bist schliesslich alt genug die Verantwortung zu übernehmen. Deine Mutter ist zu schwach. Ich kann dir sagen: wenn du die Gelegenheit verpasst deinem Vater zu helfen, die kommt nicht wieder. Du musst das FÜR DEINEN VATER tun. Nimm dir ein paar Tage frei um für deinen Vater da zu sein. Sollte man das an deiner Arbeitsstelle nicht verstehen, sch..... drauf. Dein Vater braucht DICH. Und zwar jetzt, nicht irgendwann.

Was ich hier schreibe, ist hart und ich weiss, dass ich dir damit weh tue. Ich entschuldige mich jetzt schon bei dir . Ich bin normalerweise nicht so. Lass dir meine letzten Beiträge in anderen Thread's raussuchen, vielleicht wirst du mich dann verstehen. Sei wirklich stark. Und wenn auch nur dieses eine Mal in deinem Leben.

Ich drücke dich und halte deine Hand, Gottes Segen für dich und deine Familie,

Helmut
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