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  #1  
Alt 27.01.2009, 09:33
gaertner gaertner ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

Hallo mein Sohn,

heut wärst Du zwanzig Jahre geworden. Für mich/uns bist Du es auch, die Feier findet allerdings auf einer etwas anderen Ebene statt.
Es sind jetzt bald vier Jahre.
Erschreckend klar wurde dies mir, als bei dem 90. Geburtstag eines Onkels die Frage fiel, wie alt M. , (der jüngere Sohn meiner neuen Familie hier), wird. Er wird 16 dieses Jahr. Sechzehn, mehr Jahre waren Dir nicht vergönnt.
Erschreckend klar wurde mir gleichfalls, es sind vier Jahre ohne Dich, ohne das alte Leben.
Die Erinnerungen fangen an, sich zu verändern. Ich glaubte, jeden Tag deiner Krankheit nie vergessen zu können, jede Untersuchung, jede O.P., Tage, Daten die mir sehr sehr wichtig erschienen...., heute muß ich nachlesen, will ich mich im Detail erinnern.
Da kommt auch die Frage, was ist wichtig.
Ein Zitat geht mir seit einigen Tagen nicht aus dem Kopf. Sinngemäß:
Ich will nicht erzählen wie Du gestorben bist, sondern wie Du gelebt hast.
Du warst einfach nur ein Junge, hast ein völlig normales Leben geführt und auch nachdem Du wußtest, woher die Schmerzen kamen niemals Deine Würde verloren. Die Krankheit hat dich schnell zu einem jungen Mann reifen lassen. Mit Respekt denke ich an diese Zeit zurück und verspreche Dir, das ich diese Erinnerungen an Dich hochhalten werde.
Was nützt es jemand, vom Tod zu erzählen ?Da gibt es nichts zu lernen, zu endgültig ist dieser Moment, als ob da noch etwas änderbar wäre.
Wie Du durchs Leben gegangen bist, mit einem Schalk im Nacken und Respekt vor anderen, dies zu erzählen hat für mich Sinn. Daran kann der Gegenüber sein eigenes Handeln hinterfragen und sich messen an der Aura einer Person, die Kennenzulernen ihm leider vorenthalten wurde.
Etwas Wehmut bereitet mir die zunehmende Entfernung und Entfremdung zu Personen, die uns beiden nahe standen. Ich hoffe, das meine Erinnerungen stark genug sind, um nicht zu verwischen. Auch werde ich die eine oder andere Begebenheit einfach vergessen , verschüttet von der Zeit....... .

Heute möchte ich gern mit Dir feiern und ich weiß, das ich da nicht allein bin.
Sei drum willkommen in unserer Mitte und

Dein Vater
__________________
Jede Lebensphase hat ihren eigenen Wert

und ihr eigenes Glück.


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  #2  
Alt 03.04.2009, 09:52
gaertner gaertner ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

Hallo mein Sohn,

heute sind es vier Jahre. Das mich das ganze doch noch so einholen konnte macht mir einerseits Angst, andererseits freut es mich. Sehr verschiedene Gefühle kommen auf einmal, aber tief im Inneren bleibt die Liebe. Schade, dass der Kontakt mit Deinem Bruder nicht geklappt hat, manche Dinge muß ich halt immer noch lernen einfach hinzunehmen. Anderen kann ich das prima erklären, ...krieche nicht in Köpfe anderer,... du kannst nicht jeden retten, ... du mußt nicht alles verstehen. Wie schwer das fällt, merkt man dann doch am eigenen Leib, Jahre des Zusammenlebens irgendwie ausradiert. Schwierig, ich kann es akzeptieren bei Dir, da Du ja jetzt woanders bist, aber von anderen bekomme ich nicht mal einen Pieps, geschweige denn einen Erklärung in irgendeiner Form.
Wenn ich nicht weiß, welche furchtbaren Fehler ich gemacht habe, habe ich Angst, es könnte wieder passieren. Obwohl mir da nicht wirklich bange ist, hier ist sehr viel Liebe, Familie und Frieden.
Wir werden heute Dich nochmal in unserer Mitte halten, Menschen, die Dich nur von meinen Erzählungen kennen und trotzdem spüren werden, dass Du bei uns bist. Wir gehen heute in den Jazzkeller, Hip-Hop-Elektro-Rap hören.
KontRAPprojekT spielt, weiß nicht ob es Dir richtig gefällt. Du hast viel ruhigere Musik am Ende Deines viel zu kurzen Lebens gehört, vielleicht, nein sicher hast Du uns damit auch was sagen wollen. Ich halte immer noch inne wenn Michael Buble irgendwo läuft, Joss Stone hört man im Moment eigentlich nirgends. Die CD`s zu hören mache ich nicht mehr , es war nie so richtig meine Musik und aus der Phase des selber quälens bin ich doch wohl raus. Glashaus habe ich auch schon ewig nicht mehr gehört, die Sängerin macht aber neue Projekte, die Stimme geht immer noch sehr unter die Haut.
Seltsamerweise läuft heute fast zeitgleich mit KontRAProjekT ein Konzertmitschnitt von Linkin Park. Auf die Band habt wirklich ihr mich aufmerksam gemacht und ich höre sie heute noch mit wachsender Begeisterung. Deine CD`s habe ich noch und da ist es kein quälen sie zu hören, hast Du diese Musik ja zu einer anderen Zeit selber gehört.

Heute Abend werden wir wohl noch etwas draussen sitzen und Dir und allen anderen einen leuchtenden Gruß schicken.

In Liebe

Dein Vater
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  #3  
Alt 27.01.2010, 13:18
gaertner gaertner ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

Hallo mein Sohn,

ist es Tradition, wird es Tradition ? Was ist Tradition ?....

Es ist unsinnig, sich hier abzumelden und vielleicht noch alle Beiträge zu löschen, weil die Wichtigkeit hier zu schreiben sich verloren hat. Erde sei Dank, und Glückwunsch an jeden, der diese Formulierung mal selber gebrauchen kann/wird/darf.

Nein , es ist nichts vergessen und es immer noch Schmerz,Wehmut und Trauer.

Trauer um Dich, Erinnerungen an ein Leben, was ebenso wie das Heutige Höhen und Tiefen hatte, aber eben viel zu kurz war. Immer noch grübel ich darüber nach, was am Ende zu diesem Zerwürfniss dieser Familie geführt hat, so dass heute mein eigenes Fleisch und Blut glaubt, nicht mit mir reden zu können und statt dessen Gerichte bemüht. Ich finde dies einfach lächerlich und sehr feige. In meinem neuen Leben habe ich gelernt, es gibt nach einem Streit immer eine Versöhnung. Und Probleme brauchen nur eines, eine Lösung. Die schafft man am Besten, wenn sie auf den Tisch kommen und geredet wird.

Wir reden viel, über alles was uns beschäftigt und begegnet. Über Pläne und Vergangenes. Es ist schön zuzuhören, wenn die Kinder über "alte" Zeiten reden. Etwas Wehmut beschleicht mich dann trotzdem jedesmal, weil ich hier nur meine eigenen Erinnerungen habe. Dieses Thema hatten wir zwar schonmal, doch Du sollst wissen, dass ich nichts lieber machen würde, als mit denen zu reden, die Dich noch selber kannten. Wie gesagt, die eigenen Erinnerungen verblassen und es gibt bestimmt Vieles, was ich über Dich nicht weis.

Gestern war ich in der Schule zu einer Informationsveranstaltung. Wie geht es weiter in der 10. Klasse, welche Kurse, was ist wichtig für das Abitur.

Heraushalten wollte ich mich eigentlich, klare Ansage, nicht meine Kinder, keine Erziehungsversuche. Schwierig bleibt dies, da ich mich nicht aus allem heraushalten kann und will, gerade wenn es auch um meine Freundin geht. Stress mit den Kindern, wer will da nicht versuchen zu vermitteln , zu helfen, oder mal halt auch ein "Machtwort" sprechen, um zu bekräftigen, was die Mutter sagt. Dann die Frage, kommst du mit, kannst du da helfen, schau doch mal nach dem Auto usw. Am Ende gehören zum gemeinsamen Leben bestimmte Regeln. Es ist meiner Meinung nach keine "Erziehungsarbeit", dort auf ein gewisses Gleichgewicht zwischen Rechte und Pflichten zu achten.

Vielleicht ist es aber gerade das, was am Ende zu einem so harmonischen Miteinander führt.


Siehst Du, die Tage hatte ich ein paar ganz andere Zeilen im Kopf. Nein, die lassen wir da, die bestimmen nicht mehr. Das Jetzt ist wichtig, Sicherheit, Verlässlichkeit für die, welche jetzt um mich sind.

Einer meiner größten Wünsche war immer, mit meinen Söhnen mal ein Bierchen zu trinken. Locker auf`n Hocker, ein wenig plaudern und Spass haben. Wir werden dich heute besonders in unserer Mitte spüren.

jamass Robert !

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