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  #1  
Alt 30.10.2009, 12:26
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Krebs als Chance

Liebe Nikita,

ich wollte dir damit bestimmt keine Angst machen. Das Leben ist nun mal nicht easy, so sehr wir uns das auch wünschen. Manchmal läuft es nur scheinbar so. Nur gut, dass wir nicht hinter jede Fassade schauen können. Jedoch, das Leben ist zu schaffen. Ob gesund oder krank: wir sind Gott sei Dank so gestrickt, dass wir es mehr oder weniger ordentlich zu Ende bringen können, wenn wir nur wollen. Die Umstände, wie es zum Ende kommt, liegen selten in unserer Macht. Wir können den Kopf in den Sand stecken, wir können jedoch auch die Nase in den Wind halten. Der Eine macht es so, der Andere so. Das muss jeder für sich entscheiden.

Wir schieben unser Lebensende gerne sooooooo weit weg. Hab ich früher auch gemacht. Krank? Das werden nur andere. Bis es uns dann selbst erwischt oder den Partner oder wen auch immer. Das ist das Erste, was wir alle lernen müssen, ob betroffen, angehörig oder hinterblieben. Vielleicht kann uns dabei trösten, dass ALLE Menschen vor uns und ALLE Menschen nach uns den gleichen Weg gehen mussten und werden gehen müssen. Es ist absolut nichts Neues daran. Mal sind wir Überlebende, mal Angehörige, mal Betroffene, mal Hinterbliebene. Am Ende sind wir immer Betroffene.

Und manch einer oder eine hätte ganz gern noch die Chance, etwas zu regeln oder zu ändern. Sei es, um sich zu versöhnen oder auch, um noch schnell jemandem ordentlich den Marsch zu blasen. Um sich vielleicht dann doch mit ihm zu versöhnen? Leider lässt das Leben es nicht immer zu.


Heike,

genau so schätze ich dich (ein).


Ach Corinna,

mann, was muss ich da lesen. Nein, das haben du und dein Mann nicht verdient. Vielleicht kannst du trotzdem deine Nase in den Wind halten? Du bist stark, das weiss ich. Ich sage jetzt bewusst nicht, du solltest es für deinen Mann tun, sondern tu es zuerst mal für dich. Auch für dich. Schade, HH ist vorbei. Ich würde dich jetzt gerne drücken. Du weisst, die Tür zur Villa und ihren Bewohnern steht dir immer sperrangelweit offen. Ich denke, ich darf dir das so sagen.


Ein jetzt etwas bedrückter

Helmut
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  #2  
Alt 31.10.2009, 11:31
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: Krebs als Chance

Hallo Helmut,

Zitat:
Zitat von HelmutL Beitrag anzeigen
wieso nicht auf ehemalige Angehörige? Auch mein Leben wurde durch den Krebs vollkommen zerstört, ausradiert, weggewischt. Frag Annett, ob sie das ähnlich sieht. Ein Teil von mir ist an Krebs verstorben. Mühsam versuch ich es zu restaurieren. Dieses Teil wird nie wieder das sein, was es vorher war. Dieses Teil ist und wird ein zusammengeflicktes Etwas sein für den Rest meines irdischen Lebens. Ich atme noch, das ist der Unterschied. Dass ich noch atme, sollte man nicht überbewerten.
Hm... ich bin nicht sicher, wie du den letzten Satz meinst. Von mir kann ich sagen: ich finde das Leben nicht so wichtig. Das meiner Frau schon, aber das ist vorbei; meins ist uninteressant. Wenn ich etwas aus dem langsamen Krebstod meiner Frau gelernt habe, dann, dass ich nicht so enden werde. Ich werde in keine Klinik gehen, und ich werde nicht als Pflegefall sterben. Ich bin vorbereitet. Die Helium-Gasflasche ist da, samt Druckminderer und "Kopfhaube", dazu alle nötigen Medikamente. Ohnehin glaube ich nicht, dass Lebensqualität eine Frage der Quantität = Anzahl der Lebensjahre ist.

Aber keine Sorge, das steht im Moment überhaupt nicht zur Diskussion. Im Gegenteil. Ich hadere zwar auch noch dauernd mit dem Schicksal meiner Frau und meinem Alleinsein seit fast einem Jahr. Und fast jedesmal, wenn ich hier lese oder schreibe, muss ich unterbrechen, weil ich schon wieder zu heulen anfange.

Andererseits: mir hilft es oft, das eigene Leid zu relativieren, indem ich mir andere Schicksale vor Augen führe. Da gibt es im Moment eine ganz liebe Freundin, wie ich über 20 Jahre mit einem Partner zusammen. Wir sitzen so in etwa "im gleichen Boot". Als meine Frau gestorben ist, ist ihr Partner fast zeitgleich gegangen. Er lebt noch, aber er ist weg. Redet nicht mehr mit ihr, und läßt sie mit 2 Kindern und einem Berg voll Schulden für ein Haus sitzen.

Der ist für sie auch "gestorben". Und noch viel schlimmer: bei meiner Frau und mir war es so, wie Corinna schreibt. Wir sind angesichts der Krankheit noch viel näher zusammen gerückt. Wir haben uns völlig vertraut und konnten uns jederzeit bedingungslos auf den anderen verlassen. Das stand niemals in Frage. Und wir sind mit der Gewissheit geschieden, dass wir zusammen etwas ganz Besonderes hatten. Dass das so früh enden musste, war Pech, Schicksal oder wie auch immer man das nennen will.

Aber nicht durch Krankheit endgültig getrennt zu werden, sondern durch "Scheidung"... mit der Wut, dem Hass und all den Selbstzweifeln des warum-habe-ich-das-nicht-gemerkt? und was-habe-ich-bloss-falsch-gemacht? Mit all den Verletzungen, die einem ein Ex-Partner zufügt, dem es nur noch darum geht, einen so schlimm wie möglich zu treffen (natürlich unter der Gürtellinie), und der noch dazu alles dransetzt, einen auch finanziell zu ruinieren, damit man auch noch das Zuhause für sich und die Kinder verliert...

Oder, wie es hier in den Krebsforen gar nicht so selten vorkommt: Frau bekommt BK, und Mann macht sich vom Acker, weil er sich doch lieber eine "vollwertige" Frau sucht... Wenn ich mir vorstelle, dass mir solche Sachen passiert wären, dann ginge es mir um einiges schlechter als so.

Ja, Scheisse, meine Frau ist tot, und so 10-20 Jahre hätten uns eigentlich noch zugestanden, finde ich. Aber das war eben Schicksal, und dieses Schicksal haben wir zusammen gut gemeistert. Wir waren zutiefst verbunden bis zur letzten Sekunde, und es gbit nichts, was ich mir im nachhinein vorzuwerfen habe. Es war schlimm, aber es war OK so. Ich kann jeden morgen in den Spiegel gucken, ohne mich zu schämen oder mich zu fragen "warum bloß?".

Und das ist, denke ich, als Ausgangsposition für das Weiterleben schon mal viel mehr, als andere haben.

Viele Grüße,
Stefan
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  #3  
Alt 31.10.2009, 20:34
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: Krebs als Chance

Hallo Stefan,

Zitat:
Zitat von Stefans Beitrag anzeigen
Hallo Helmut,
Hm... ich bin nicht sicher, wie du den letzten Satz meinst
Ne...so bestimmt nicht. Ich lebe noch ganz gerne und habe die Absicht meine Mitmenschen noch ein paar Jahre mit meiner Anwesenheit zu beehren. Ob's wirklich ne Ehre sein wird, müssen dann die Anderen beurteilen . Der Satz sollte lediglich eine Verstärkung des vorhergehenden Satzes sein. Zumindest in der Anfangszeit war ich innerlich tod. Lediglich mein Körper funktionierte noch. Das meine ich. Allerdings muss irgendwo da drin noch ein zartes Flämmchen geklimmt haben, sonst wär ich heute vielleicht nicht hier. Viele nennen es einfach "Selbsterhaltungstrieb".

Deine Absicht ist eine Option, die ich mir auch schon überlegt habe. Ich glaube, über das Thema hatten wir uns schon mal unterhalten. War ne heisse Geschichte. Ein Minimum hab ich bereits erledigt: eine Vorsorgevollmacht inclusive Patientenverfügung ist notariell verfasst und unterschrieben. Sie kann im Fall der Fälle zumindest einiges abwenden.

Tja, der Mensch in seiner Freiheit, alles zu tun was er will, steht sich eigentlich nur selbst im Wege. Was könnte der Mensch in Frieden leben, wenn es ihn nicht gäbe.

Du jedenfalls hast deine Lektion gelernt. Eine Chance muss ja nicht unbedingt vordergründig was Gutes sein, wie ein Lottogewinn zum Beispiel. Sie kann auch so sein, wie bei dem kleinen Kind, dass trotz wiederholter Mahnung die Finger auf die heisse Herdplatte legt. Oder eben (im Geghensatz dazu) wie bei uns, die wir die Partnerin verloren haben.

Nicht immer war das Zusammenleben Friede-Freude-Eierkuchen. Doch im entscheidenden Moment gab es keine Frage, kein Zögern. Auf diese Erfahrung, diese Lektion hätte ich gerne verzichtet. Du auch. Es war uns nicht gegönnt. Also ziehen wir daraus das Beste, was möglich ist: Liebe, Respekt, Achtung, Ehrfurcht. Unsere Chance ist nun, das auch durchzuhalten bis zum Ende.


Alles Liebe

Helmut
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  #4  
Alt 03.11.2009, 13:00
Benutzerbild von kerstin36
kerstin36 kerstin36 ist offline
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Beiträge: 70
Standard AW: Krebs als Chance

Ich habe lange überlegt und doch möchte ich ein paar Zeilen hinterlassen.
Krebs als Chance,ja da hat so jeder seine Ansichten.
Keiner wurde gefragt ob er diesen Krebs haben will und jeder kommt damit anders zurecht. Auch mein Sohn erkrankte vor 9Jahren an einem Hirntumor und muß heut damit leben. Er ist jetzt 10 Jahre und dieser scheiß Krebs hat ihm jede Chance genommen. Die Chance auf ein normales Leben,die Chance Freunde zu haben,die Chance Fussball zu spielen,im Kino einen Film zu sehen und ich könnte noch so viel aufzählen. Als Mutter zerreißt es mir das Herz.
Er ist 10 und sagt zu mir " Mom ich hab ein scheiß Leben".
Ob im Alltag oder in der Schule wird er immer wieder mit Menschen konfrontiert,die ihn nicht mit seinen Behinderungen akzeptieren und er muß für alles kämpfen,sogar damit mal einer in der Schule mit ihm spielt. Es tut weh immer nur das fünfte Rad am Wagen zu sein.( weil er so anders ist)
Nach allem was wir bis heut erlebt haben,sorry für uns ist KREBS KEINE CHANCE.

Gruß Kerstin
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  #5  
Alt 08.11.2009, 15:25
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: Krebs als Chance

Hallo zusammen,

ihr habt recht. Krebs ist keine Chance. Es gibt nichts, was man ohne ihn nicht auch tun könnte und so vielen wird jegliche wirkliche Chance genommen. Der Begriff "Chance" ist mit einem "Glücksfall" verbunden, was hier ja wohl wirklich nicht zutrifft.

Auch das ist eine Antwort auf die Frage, die dieser Thread aufwirft. Ob man es anders formulieren könnte? Keine Ahnung. Vielleicht "lernen"?

Wobei, niemand wird zu einem besseren Menschen, nur weil er an Krebs erkrankt ist. Unter Umständen werden lediglich verschüttete Eigenschaften freigeschaufelt, die man schon immer besass und leider nicht immer sind diese Eigenschaften positiv.

Manche Menschen können halt auf diese äusserst schmerzhafte Weise lernen, auf was sich das Leben reduzieren lässt: Rücksicht, Respekt, Liebe und, je nach dem, die Endlichkeit.

Sorry, ich wollte niemandem auf die Füsse treten. Gut, dass es Menschen gibt, die nicht alles schlucken, was ich so von mir gebe.


Einen schönen Sonntag noch

Helmut
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  #6  
Alt 08.11.2009, 15:47
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nikita1 nikita1 ist offline
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Standard AW: Krebs als Chance

Hallo Helmut,
wie ich schon schrieb: Chance trifft in der Form als "Glücksfall" nur auf diejenigen zu, die nach der Therapie krebsfrei sind und die Chance auf ein neues Leben haben, genauso, wie es nach einem schweren Unfall ist, den man überlebt hat.
Für die Angehörigen gilt das nicht , der entgültige Verlust von einem geliebten Menschen ist unerträglich. Alles was man machen kann ist, mit dem Verlust zu leben, vielleicht auch noch mal ein zweites Dasein zu beginnen, ein Danach und ein Davor. Die Tage auf der Erde sind begrenzt, wir sollten sie gut verbringen, trotz allem Schmerz.
__________________
Liebe Grüße
Nikita


Tapferkeit ist die Fähigkeit, von der eigenen Furcht keine Notiz zu nehmen.
George Patton
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  #7  
Alt 08.11.2009, 21:03
Hoschi96 Hoschi96 ist offline
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Ort: Garbsen
Beiträge: 2
Standard AW: Krebs als Chance

Für mich war das Leben vor der Diagnose wie unendlich und ich lebte einfach so. Ich war nicht schlecht aber auch nicht wirklich gut zu allen Leuten. Wenn ich von der Depressiven Phase absehe hat es mich größtenteils zu einem besseren Menschen gemacht. Ich danke für jeden Tag und versuche das beste draus zu machen und versuche meinen Sohn jeden Tag ein besserer Vater zu sein.

Komischerweise fallen mir beim schreiben dieser Zeilen doch wieder die Negativen Dinge auf. Angst zu sterben, die Symptome.... das behindert wiederum meine Arbeit als Ehemann und Vater.

Ich glaube wenn ich den Krebs besiege werde ich eine sehr viel besserer Mensch sein als vorher. Ergo denke ich auch, dass Krebs eine Chance sein kann.
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