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Alt 01.04.2010, 02:30
Boxerhund1 Boxerhund1 ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

hallo miteinander,

ich stimme Helmut absolut zu. Und Esmi - danke für deinen Beitrag, er hat mir ein paar zusätzliche Tips gegeben, an die ich noch gar nicht gedacht hatte.

Wie geht es den Angehörigen? Schlecht - normalerweise! Egal, was und wie man als Angehöriger entscheidet, man stellt sich für den Rest seines Lebens die Frage, ob es richtig war. Auch wenn der Verstand und das Herz sagt, daß es richtig war - die kleinen fiesen Zweifel im Hinterkopf bleiben immer. Und das neben dem Schmerz und der Trauer.
Wobei... wir als Angehörige/Hinterbliebene leben weiter und müssen irgendwie damit klarkommen. Niemand nimmt uns unseren Schmerz ab, wenn unsere Lieben ihre Schmerzen längst hinter sich gelassen haben. Das ist unser Schicksal als Angehörige und Hinterbliebene. Und damit müssen wir leben, leben lernen und fertig werden.

Und bitte... wir reden hier immer um das Thema eines Finalzustandes! Ein Zustand, der ohne jede Chance auf Rettung ist. Wir reden NICHT davon, Leben zu erhalten oder zu verlängern, wir reden davon, das Sterben irgendwann zu akzeptieren und NICHT zu verlängern.

Ich war 40, als ich wieder mit dem Motorrad fahren anfing. Ich hatte Freude dran, aber ich wußte auch um die mögliche Gefahr. Meine Eltern waren damals auch schon nicht mehr die Jüngsten - und drum machte ich mir Gedanken, was im schlimmsten Fall passieren könnte - und wie man das dann absichert - für mich und auch für meine Eltern, daß sie im Zweifelsfall versorgt wären.
Diese Gedanken waren für mich sehr schwierig, aber das.. was wäre wenn.. .das hat mich doch beschäftigt, auch wenn ich nicht damit gerechnet hatte, daß es wirklich eintritt. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod hat etwas wirklich Frustrierendes - wer macht sowas schon gerne?
Meine Mutter hätte mich fast erschlagen, als ich wieder ein Motorrad gekauft habe - aber wir haben dann irgendwann mal ein vernünftiges Gespräch geführt - und dann kam die Patientenverfügung und die Generalvollmacht, die damals meine Mutter innehatte.
Und im gleichen Termin beim Notar haben meine Eltern ebenfalls dann eine Generalvollmacht für mich ausgestellt.
Für mich ging es damals um einen möglichen Unfall mit allen dramatischen Folgen - und daß ich unter keinen Umständen als "beatmeter Kopf" enden will, ohne daß mich dann jemand gehen läßt. Ich habe für den absoluten Extremfall vorgesorgt - der ist Gott sei Dank nie eingetreten. Aber im Zuge dieser Gespräche wußten wir alle, was wir in so einem Extremfall dann für uns selber wollen.

Inzwischen ist meine Mutter an ihrem 4. Karzinom gestorben - und heute ist für mich das ebenfalls ein Thema. Wer weiß schon, was in einem wächst, bis es sich dann zeigt? Ich habe meine Mutter im Sterben begleitet, so gut es mir möglich war. Es kam so grausam schnell, daß ich kaum mit dem Begreifen nachkam - für meine Mama war es eine Gnade, für mich war es fürchterlich.
Aber gerade auch deswegen weiß ich, was ich für mich defintiv NICHT will. Und das ist mein ganz persönlicher Egoismus - wenn es keine Rettung mehr gibt, dann will ich nicht leiden! Und die Ursache dieses Finalzustandes ist dann für mich nur noch nebensächlich - ob es Krebs ist oder ein Unfall - wenn ich nicht mehr leben kann, dann will ich auch sterben dürfen.

Heute hat mein Cousin die Generalvollmacht. Da er Anwalt ist außerdem, wird er meinen Wunsch durchzusetzen wissen, falls es je soweit kommen sollte.
__________________
Liebe Grüße, Cori

Als Angehörige kam ich, als Hinterbliebene blieb ich.

Mama: 4.10.1924 - 29.6.2009
  #2  
Alt 01.04.2010, 08:16
Silleke Silleke ist offline
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Registriert seit: 09.04.2006
Beiträge: 34
Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Guten Morgen,
1. Nein, Tante Emma, so meinte ich das nicht. Man kann auch mutwillig falsch verstehen. Um ein paar wenige Wochen Lebensverlängerung macht man schon so viel. Ich glaube daher bloß nicht, dass man sich als Nichtbetroffener tatsächlich in den Willen des Betroffenen hineinversetzen kann und beurteilen kann, wann eine Situation untragbar wird .
2. Esmiralda hat auf den Boden der Wirklichkeit zurück geholt . Die Verfügungen sind seit September rechtsverbindlich. Manche Debatte ist überflüssig, denn der Patientenwille entscheidet heute. Und man könnte ja drüber nachdenken, wie der Patientenwille aussieht, wenn der Patient nichts verfügt. Meine Angehörigen und ich wissen, ohne einen ausgedrückten Willen dürfen wir gegenseitig nicht Entscheidungen gegen das Leben treffen. Ich widerhole mich: Es ist jedem Menschen zumutbar, selber vorzusorgen.
3. Helmut, du hast recht, es kann für Angehörige sehr schwer werden. Ich denke schon, das klang hier auch an. Ich habe aber niemals einen Patienten erlebt, der erleichternde Maßnahmen abgelehnt hätte. Und die Palliatvmedizin kann viel Leiden lindern. Die Angst, unvorstellbares Leid mit ansehen zu müssen, verschwindet meist, wenn der Betroffene gute Ärzte hat. Ich habe wirklich viele Patienten und Angehörige begleitet auf diesem Weg. Und immer wieder sagten mir Angehörige später, dass diese letzte Zeit des Abschieds auch kostbar war für sie, das sie die Zeit brauchten. Voraussetzung ist dafür aber eine gute Palliativmedizin.
4. Cori,nein, du liegst wirklich falsch. Es geht nicht nur um das Finalstadium, sondern um den Grundsatz. Ein Apalliker ist defintiv nicht im Finalstadium , er ist nicht beatmet und kann in diesem Zustand Jahrzehnte leben. Und ab wann bin ich im Finalstadium ? Definier das doch mal bitte. Wenn die Atmung aussetzt ? Oder schon,wenn die Blase gelähmt ist,wenn ich nicht sprechen kann, den PC nicht bedienen kann, dement werde ? Ich bin heute schon so dran, dass ich Ärzten deutlich sagen muss, trotzdem alle Krebstherapien bekommmen zu wollen. Für mich persönlich klingen die Sorgen darum, übertherapiert zu werden, merkwürdig, denn ich gehöre zu denen, die umgekehrt aufpassen müssen. Tja, aber vielleicht ist das echt unvorstelbar,wenn man fit ist.
Das Gesetz ist jedenfalls weiter als du, es billigt das Recht auf die eigene Entscheidung jedem Bürger zu seit letztem Jahr. Nicht nur im Finalstadium, sondern gerade auch Menschen wie mir.

Entweder man hat also Krebs oder was anderes , oder wie ? Ihr könnt ja nicht einmal wahrnehmen, wie persönlich betroffen ich von diesem Thema bin. Auch wenn ihr es unverschämt findet, aber um ein Krebssterben mache ich mir weniger Gedanken. Das passiert, wenn es passiert. Aber wie gehe ich damit um, eine jahrelange Zukunft als Schwerstpflegefall zu ertragen ? Für mich grotesk , das Thema zu beschränken auf Finalsituationen. Vergesst dabei bitte nicht,ich habe selbst Krebserkrankungen . Bin einigermaßen sprachlos und entsetzt über so viel Ignoranz.

Silleke

Geändert von Silleke (01.04.2010 um 08:28 Uhr)
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