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  #1  
Alt 15.12.2010, 11:32
anna11 anna11 ist offline
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Registriert seit: 25.11.2010
Beiträge: 109
Standard AW: Nicht übers Sterben gesprochen

Hallo Ihr Lieben

vielen Dank für die schnellen lieben Worte. Es ist sehr tröstlich wieviele Menschen mir liebe Zeilen schicken. Das Gefühl etwas verpasst zu haben ist noch da aber nicht mehr so schrecklich dominant.Ich denke es ist der Weg meiner Mutter gewesen mit ihrer Krankheit so umzugehen es zu verdrängen und ignorieren und sie wollte uns sicherlich nicht belasten,sie hat immer versucht uns zu schützen und alle Probleme mit sich selbst ausgemacht.

Es fällt mir schwer das zu akzeptieren,da ich eine andere Einstellung zum Tod habe und gerne offen darüber spreche.Ich bin im medizinischen Bereich tätig und habe eine Weiterbildung im Palliativ Care Bereich,im Krankenhaus kann ich mein Wissen und Emotionen auch gut anbringen, aber wenn es die eigene Familie ist, ist man doch sehr hilflos!!Es ist sehr tröstlich von anderen in der gleichen Situation zu hören und das nicht alle offen über den Tod gesprochen haben. Der Vater von einer Freundin von mir wird in naher Zukunft an Krebs sterben und sie hat mit Ihrem Vater bis in letzte Detail(Beerdigung..) gesprochen. Als ich Ihr erzählte das meine Mutter nicht darüber spricht war sie sehr erschrocken und sagte" oh man da seit ihr ja noch ganz am Anfang".Das Gefühl hatte ich nicht, bei uns war es halt nur anders.Und jeder stirbt doch auch so individuell wie jeder Mensch individuell lebt!?
Mein Vater sagt meine Mutter wußte das sie sterben wird und für ihn ist es völlig in Ordnung das sie mit uns nicht darüber gesprochen hat.Mein Vater sagte er würde es wahrscheinlich genauso machen,es ist halt nicht so leicht sagt er...

Liebe Mia,

es tut mir sehr leid das Du Deine Mutter nach einem so kurzen Krankheitsverlauf verlieren mußtest! Das hat Dich sicherlich alles total überrollt...Meine Mutter war 2,5 Jahre erkrankt,es ging ihr zwischendurch gut,sie war auch einmal in kompl.Remission.Ich hatte aber lange Zeit mich auf Mamas Tod vorzubereiten, wenn das so überhaupt sagen kann.Wenn es soweit ist, ist es doch zu früh. Als sie gestorben ist, habe ich mich für sie gefreut,das sie es geschafft hat.Ich hatte große Angst davor,was uns noch erwartet,aber sie mußte nicht viel Leiden zum Schluß.
Ich arbeite auf einer onkolgischen Station und habe schon schreckliche Dinge gesehen.


Ich wünsche allen viel Zuversicht und Kraft für die kommende Zeit.

Anna

Geändert von anna11 (15.12.2010 um 11:40 Uhr)
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  #2  
Alt 15.12.2010, 15:39
Sumsebrumm Sumsebrumm ist offline
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Registriert seit: 08.12.2010
Ort: Ganz in der Nähe von Frankfurt am Main
Beiträge: 8
Standard AW: Nicht übers Sterben gesprochen

Erstmal möchte ich dir mein Beileid aussprechen! Und dir ganz viel Kraft wünschen!

Das mit dem "über das sterben sprechen" ist so eine Sache. Oft wollen die Betroffenen ihre Liebsten einfach nur schützen, das ihre Angehörigen leiden sehen sie natürlich und versuchen es ihnen so leicht wie möglich zu machen. Was sollten sie auch sagen um ihnen die Angst davor zu nehmen?
Ich war/bin Angehörige und auch Erkrankte. Hatte also die Möglichkeit es von beiden Seiten aus zu betrachten.
Meine Oma hat auch nie offen darüber geredet. Aber sie wusste das die Zeit gekommen war. Sie versuchte uns zu schützen da sie spürte wie verunsichert wir waren. Das einzige was sie sagte war das sie bereit sei.
Als sie starb durchlief ich einige Stationen......sogar Wut war dabei, weil man doch noch so viel Hoffnung in seinem Herzen trug und sie mir diese auch immer ließ. Wieso hat sie nie darüber gesprochen?

Vor einiger Zeit stand es aufgrund von heftigen Nebenwirkungen auch nicht besonders gut um mich. Ich musste mich also mit meinem eigenen Ableben beschäftigen (das passiert ganz automatisch). Ich ließ mir aber nichts anmerken da ich nicht noch mehr Verzweiflung über meine Familie bringen wollte. Diese Krankheit bringt einen dazu über gewisse Dinge nachzudenken doch will man diese Gedanken nicht immer mit seinen Liebsten teilen.
Doch habe ich es geschafft (und ich bin der Meinung meine Oma hat mir von da oben aus ziemlich unter die Arme gegriffen!)...

Nicht nur als Angehöriger sondern auch als Betroffener hat man eine große Verantwortung seinem Umfeld gegenüber.

Jeder Mensch geht anders mit diesem sehr schwierigen und komplexen Thema um. Doch würde auch ich mir wünschen das man etwas offener damit umgehen würde (es würde es vielleicht ein bisschen einfacher für alle Beteiligte machen).

Ich wünsche dir und allen hier die einen geliebten Menschen verloren haben alles Gute und viel Kraft!!!
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  #3  
Alt 17.12.2010, 08:55
Benutzerbild von Jessi77
Jessi77 Jessi77 ist offline
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Registriert seit: 13.02.2010
Ort: Castrop-Rauxel
Beiträge: 31
Standard AW: Nicht übers Sterben gesprochen

Guten Morgen liebe Anna,

mein Pa ist im Juli 2009 mit 64 Jahren gestorben. Ein Jahr hat er mit dem Krebs (Lungenkrebs) gekämpft. Er hat alles mit sich selbst aus gemacht. Von Anfang an.

Bei der Diagnose war ich dabei. Noch heute sehe ich ihn vor mir mit Falten auf der Stirn, im Krankenhauszimmer, wie er sich für den Nachhauseweg das Hemd anzieht, über seinen schon dünner werdenden Körper. Wir waren voller Hoffnung und haben nie über das Schlimmste geredet. Ich habe 2 Tage, glaube ich, durch geheult, war nur im Internet um Infos zu sammeln, meine Familie hat erst mal abgewartet! Die Hoffnung lag in einer OP nach einer vorherigen Chemo! Als es nach der Chemo zur OP Voruntersuchung gehen sollte, stellten die Ärzte fest, dass es keine Chance mehr auf OP geben würde. Hier hat mein Pa mich angerufen, damit ich es allen schonend beibringen kann. Ich habe es auch irgendwie gepackt. Ich war leider die, die sich "schlau machte", alle verließen sich da auf mich. Mein Pa wollte aber alles so genau gar nicht wissen, wie so viele Erkrankte! Auch jetzt wollte er nicht mit mir sprechen. Ich habe es immer versucht! Es wäre für mich sehr wichtig gewesen, denn ich beschäftige mich schon sehr mit dem Tod: er gehört einfach dazu und lässt das Leben erst so richtig an Bedeutung gewinnen.

Aber mein Vater wollte nicht - das musste ich akzeptieren.

Dann war er wegen Wasser in der Lunge im Krankenhaus. Wir dachten, ok das Wasser muss weg und gut. Aber nein, dies brach ihn! Zwei Tage vor seinem Tod (er konnte nicht mehr richtig atmen, eine Verklebung schlug fehl, die ganze Lunge nur voll Wasser) fragte er mich überrascht, ob er jetzt schon sterben müsse! Diese Augen werde ich nicht vergessen. Ich sagte ihm nur was ich wußte und fühlte und dass ich immer für ihn da sein werde!Dann ging ich und musste ihn dort so liegen lassen. Er war in seinem Elend lieber allein, Besuch ok aber dort bleiben sollten wir nicht! Ich werde nicht vergessen, wie sein letztes Bild war. So dünn und hilflos und verzweifelt!

Dann ist er, wie uns später berichtet wurde, die ganze Nacht auf dem Flur umher gelaufen (wo die Kraft herkam, keine Ahnung). Er machte "es" wieder mit sich selber aus!!!! Als Ergebnis seiner Überlegungen ließ er sich morgens dann an die Morphiumpumpe legen. Als wir kamen, war er schon in einer anderen Welt. Kein Wort vorher von ihm, kein Anruf, kein Abschied!!!! Wir saßen einfach schweigend an seinem Bett und schauten ihn an! Vielleicht hat er uns gespürt? Am nächsten Morgen ist er dann einfach gegangen. Kein Arzt, keine Schwester hat damit gerechnet! Und ich leide heute noch unter den unausgesprochenen Worten!

Tage später habe ich geträumt, dass ich mit meinem Pa am Tisch sitze und er mich fragt, wie denn jetzt so alles ohne ihn funktioniert und ob meine Ma, die auch noch Parkinson hat, klar kommt. Nach diesem Traum ging es mir etwas besser. Er schien mir so normal!

Sorry, jetzt ist alles aus mir heraus gesprudelt. Aber manchmal ist es so, auch noch nach 1,5 Jahren. Ich denke, dass geht nie vorbei. Vielleicht erst, wenn ich selbst diese Welt verlassen muss.

Ich wünsche dir alle Kraft, Wärme und Liebe für dein weiteres Leben. Wir müssen damit leben! Irgendwie!

Jessi
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  #4  
Alt 17.12.2010, 09:29
monika100 monika100 ist offline
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Beiträge: 1.777
Standard AW: Nicht übers Sterben gesprochen

Hallo Jessi,

deine Zeilen haben mich sehr berührt - es hat mich soviel an meinen Vater erinnert.

Du hast recht, man muss damit leben und man schafft das auch, aber vergessen kann man es nicht.

Alles Gute für Dich.

LG Monika
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  #5  
Alt 17.12.2010, 10:44
Pferdchen Pferdchen ist offline
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Ort: Lonnig
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Standard AW: Nicht übers Sterben gesprochen

Liebe Anna,

es tut mir sehr leid das du deine Mutter verloren hast und ich wünsche dir und deiner Familie weiterhin viel Kraft.

Als mein Freund vor 11 Monaten gestorben ist, ging es mir ähnlich wie dir jetzt. Nach der Diagnosestellung durfte er nur noch 3 Monate leben und es ergab sich nicht das wird uns über das Sterben unterhalten konnten. Als er nach der schweren, erfolglosen Wippel Op in meinem beisein die endgültige Diagnose gesagt bekommen hat, fragte er mich danach ob er jetzt sterben müsste. Ich habe ihm gesagt das er den schlimmsten Krebs hat den es gibt und seine einzige Chance das "Kämpfen" sei.
Mein Freund war schon immer ein Meister darin, negative Dinge aus seinem Kopf zu drängen und nicht darüber zu reden...und genau so hat er es mit seiner Krankheit gehalten. Er wußte das ich mich über alles informiere und mich um alles Wichtige kümmer und gut war es für ihn.
Ca. 2 Wochen vor seinem Tod, als es ihm sehr schlecht ging, sagte er nur zu mir das er so langsam selber anfangen würde sich ernsthafte Sorgen um sich zu machen...ich denke das zeigt wie wenig er sich selber mit seiner Krankheit beschäftig hat.
Ich hätte mich so gerne mit ihm über das Sterben und das "danach" unterhalten aber ich habe nie die Gelegenheit dazu bekommen. Durch das Morphium war er von einem auf den anderen Tag nicht mehr er selber und hatte nur wenige klare Momente. In einem kurzen klaren Moment, wenige Tage vor seinem Tod, schaute er mich plötzlich an und sagte nur ein Wort: Danke. In diesem Moment war es mir nicht so bewußt aber heute bedeutet mir dieses Wort sehr, sehr viel.
Ich glaube nicht das er bis zu seiner Verwirrtheit realisieren konnte das er nun wirklich bald sterben wird...und heute muß ich sagen bin ich sehr dankbar dafür.
Mein Freund hätte es nicht verkraftet Wochen zu leben mit der Gewissheit das es bald zuende ist und so war es für ihn das beste.

Alles Gute wünsche ich dir!

Michaela
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  #6  
Alt 17.12.2010, 10:48
Pferdchen Pferdchen ist offline
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Registriert seit: 22.10.2009
Ort: Lonnig
Beiträge: 134
Standard AW: Nicht übers Sterben gesprochen

Zitat:
Zitat von Jessi77 Beitrag anzeigen
denn ich beschäftige mich schon sehr mit dem Tod: er gehört einfach dazu und lässt das Leben erst so richtig an Bedeutung gewinnen.

Jessi
Das hast du sehr schön geschrieben!
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  #7  
Alt 17.12.2010, 21:54
anna11 anna11 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.11.2010
Beiträge: 109
Standard AW: Nicht übers Sterben gesprochen

Hallo,

vielen Dank für Eure Antworten. Es gibt mir ein gutes Gefühl Eure Zeilen zu lesen.
Einiges hat mich sehr berührt!!Und ich finde mich und meine Mutter in vielen
Situationen wieder.Das ist sehr tröstlich..

Anna
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