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  #241  
Alt 27.06.2009, 18:10
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Daumen hoch AW: Myriam

Ein paar Gedanken zu dem Gänseblümchen, die ich an anderer Stelle geschrieben hab:

Zitat:
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.............doch ich weiss, dass ich immer wieder rausklettern werde (aus den Löchern). So wie vorgestern, mit Hilfe eines Gänseblümchens. So klein und zart und doch so stark und mutig.

Beim letzten Rasenmähen konnte es den Kopf noch einziehen und trotz der Gefahr, beim nächsten mal unters Messer zu kommen, reckt es sich stolz in die Höhe. Das Wissen um die Gemeinschaft macht es stark: ich bin ja nicht allein und wenn ich nicht mehr bin, sagt es, dann stehen Tausend andere auf. Neues Leben, ewiger Kreislauf, ein Versprechen: es ist nie zu Ende, es ist immer Anfang.
alles Liebe

Helmut
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  #242  
Alt 28.06.2009, 03:55
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Standard AW: Myriam

Vor einer dreiviertel Stunde bin ich nach Hause gekommen. Habs nicht ausgehalten in der leeren Wohnung. Fast 2 Stunden bin ich durch die Stradden unseres Ortes gegangen und hoffte, dass ich müde genug bin wenn ich nach Hause komme. Müde bin ich doch die Gadanken wollen nicht aufhören sich im Kreis zu drehen.

Hab an dich gedacht, deine letzten Monate, Tage, Stunden. Deine Augen, deine Blicke, die mich nie mehr loslassen. Was ging vor in deinem Kopf? Was waren deine Gedanken? Immer wieder dasselbe.

Hab an mich gedacht. Wie ein Hamster dreh ich meine Runden im Laufrad. Hektischer Aktionismus, nur, um nicht denken zu müssen. Ohne Rast und scheinbar ohne Ziel. Dreh mich im Kreis. Viele Türen führen nach draussen. Einige hab ich bereits geöffnet: sie führen in eine Sackgasse. Muss ich erst alle anderen öffnen, bis ich die richtige finde? Wenn ich sie finde, dann nehm ich dich mit.

Kannst du sie mir zeigen? Bestimmt könntest du. Viele Hinweise hast du mir bereits gegeben. Ich finde nur den Roten Faden nicht, der sie zur Lösung zusammenbindet.


Dein Helmut
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  #243  
Alt 29.06.2009, 13:26
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Standard AW: Myriam

Funtionieren.

Ein selten hässliches Wort in diesem, unserem, Zusammenhang. Es ist oft zu lesen. Meist so, dass andere von uns erwarten dass wir wieder "funktionieren". Leider auch umgekehrt. Dass einige dieses Wort verinnerlicht, es für sich selbst akzeptiert haben. Sie funktionieren wieder und das bewusst.

Wieso? War der Druck der Umgebung zu gross? Möchte man nicht auffallen, nicht aus der Reihe tanzen? Keinem auf die Nerven gehen? Angst? Hektischer Aktionismus, um der Trauer zu entgehen? Keine Kraft mehr, die Trauer zu leben und anzunehmen? Enttäuschung, weil man es nicht geschafft hat, mit der Trauer zu leben? Enttäuschung über das Umfeld? Entäuschung über das Leben? Trostlos zerstörte Hoffnung?

Ich möchte nie mehr funktionieren! Das Leben bis heute lief oft genug in diesen Bahnen. Ich will mich nicht in ein Schicksal ergeben, im Sinne von aufgeben. Möchte aktiv sein, nicht passiv und dann darauf warten, was andere von mir wollen, sondern aktiv auch mal das tun, was andere nicht erwarten. Möchte andere fordern auch mit dem Risiko, ihnen auf die Füsse zu treten. Möchte nicht unbedingt in das Weltbild und die Fassade andere nahtlos integriert sein, nur damit es ihnen gut geht. Eigene Entscheidungen treffen. Auch mal nein sagen, wenn es mir gut tut. Sozusagen stromlinienförmig durch's Leben laufen, nur ja nicht anecken, das ist nicht mein Sinn. Ich möchte meine Trauer ausleben.

Ich möchte nicht hier sitzen und auf meinen eigenen Tod warten. Ich möchte verstehen und dann wieder leben.


Helmut
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  #244  
Alt 30.06.2009, 10:39
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Daumen hoch AW: Myriam

Guten Morgen,

mann, was für ein herliches Frühstück heute Morgen. Meine Kleinste war hier oben und wir haben gemeinsam gefrühstückt. Ununterbrochen sprudelten Geschichten aus ihr heraus. Sie hatte soviel zu erzählen. Wir haben uns prächtig unterhalten. Immer wieder erstaunt bin ich über ihre Gedankegänge, die ich so von unseren eigenen Töchtern nicht in Erinnerung habe. Naja, damals steckte ich mitten im Beruf, musste vorwärtskommen. Obwohl, die gemeinsamen Mahlzeiten waren uns immer sehr wichtig, das Unterhalten mit unseren Kindern dabei. Leider konnte ich nicht immer dabei sein.

Erstaunt bin ich auch über ihr Wissen und ihre Wissbegierde. Ihre Fähigkeit zu verstehen, zu erkennen. Zu sehen wie es in ihrem Köpfchen arbeitet. Immer noch spricht sie auch mit den Händen, mit ihrer Mimik, mit ihrem ganzen Körper. Eine Fähigkeit, die sie im Alter von 2 Jahren zur Perfektion entwickelt hatte. Warum reden, wenn's auch anders geht, so hatte ich damals den Eindruck.

Ich hatte ein Glas mit Wasser für sie auf den Tisch gestellt. Ich habe 3 von der Art, mit weissen und schwarzen Punkten. Jedes ein kleines bisschen anders. Sie betrachtete die Punkte Plötzlich sagte sie: "Da sind goldene Punkte drauf. Das ist das Glas von Oma Myriam, mit dem sie immer ihre Tabletten nahm." Gleich beim Tisch steht unser Hochzeitsfoto. Sie meinte: "Die Oma sieht auf dem Bild beinahe aus wie meine Mama." Nichts trauriges in ihrer Stimme, nur Fröhlichkeit.

Könnte das der Schlüssel sein?

Ein rundherum gelungener Start in den Tag.


Eine Bitte an dich: nimm die Beiden in deine Hände und beschütze sie.

Dein Helmut
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  #245  
Alt 30.06.2009, 19:33
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Standard AW: Myriam

So schön der Tag begonnen hat. Mein Kopf ist leer. Ich bin müde. Gedanken kommen und verschwinden ohne eine Spur zu hinterlassen. Keine Ahnung wozu und wieso. Es ist mir egal, ich mag auch garnicht denken. Ich bin müde, müde, müde..................


Helmut
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  #246  
Alt 30.06.2009, 19:37
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Standard AW: Myriam

Lieber Helmut,

funktionieren: Weißt du, für mich war es ganz schlimm zu spüren, ich funktioniere nicht mehr. Mein Antrieb war weg, alles fühlte sich sinnlos an. Und ich fühlte mich wie gelähmt, unfähig zu überleben. Ich sehnte mich nach der Zeit, in der mir die Arbeit Spaß machte, wo nicht jeder Handgriff sich anfühlte, als müsste ich Tonnen verschieben. Ja, ich wollte funktionieren. Nicht für die anderen sondern für mich.

Und heute klingen deine Zeilen so munter. Die Kleine, die übersprudelt, die neugierig ist, dich zum Lachen bringt. Wie wunderbar die Selbstverständlichkeit, die Ehrlichkeit, kein Überlegen: Kann ich das jetzt sagen? Sie sagt was sie sieht: Die Oma sieht aus wie die Mama. Und du bist vielleicht erstaunt darüber, dass es eben nicht so sehr weh tut, wie dich diese Erkenntnis freut, weil sie dir ein optisches Zeichen gesetzt hat: Myriam ist noch da

LG
Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
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  #247  
Alt 30.06.2009, 23:53
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Daumen hoch AW: Myriam

Andrea,

da könntest du recht haben: funktionieren, nicht äusserlich sondern von innen heraus. Für mich selbst funktionieren, das innere Gleichgewicht wieder finden. Danke.

Ja, werden wie die Kinder. Nicht kindisch, sondern das Leben so nehmen, wie es ist. Ehrlichkeit, Akzeptanz, Neugier, Selbstverständlichkeit. Ich hab schon öfter geschrieben, von meinen Enkeln gelernt zu haben. Ich glaube, ich brauch noch ein paar Nachhilfestunden in dieser Richtung.

Alles Liebe

Helmut
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  #248  
Alt 03.07.2009, 18:26
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Daumen hoch AW: Myriam

Hab mal wieder Musik gehört. Ein Lied hat mich heute besonders berührt:

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Schade, dass es Menschen wie diese Abzocker gibt!

Ein wunderschönes Liebeslied, trotzig und stark. Vorallem der Wechselgesang hat es mir angetan und steckt voller Erinnerungen. Lange Haare ( , doch, könnt ihr ruhig glauben, Jimi Hendrix war mein Friseur), die Kleidung provozierend, grundsätzlich gegen alles und jeden, was uns vorgesetzt wurde. Wir wollten soviel anders sein, alles besser machen und wurden dann irgendwann doch von der Mühle überollt. Nein, nicht ganz. Einen grossen Teil haben wir hinübergerettet und versucht, an unsere Kinder weiter zu geben.


Liebe Grüsse

Helmut
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Geändert von HelmutL (08.01.2011 um 03:25 Uhr)
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  #249  
Alt 04.07.2009, 23:38
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Standard AW: Myriam

Guten Abend,

seit fast einer Stunde läuft meine Lieblings-CD. Eine Sängerin darauf hat es mir besonders angetan: Kim Sanders. Ihre glockenhelle, starke, ausdrucksvolle Stimme und wie sie in ihrer Musik lebt, das fasziniert mich immer wieder. Dazu eine perfekte Band, der man anhört, dass ihnen ihre Musik auch Spass macht.

Ich weiss, Musik ist Geschmacksache. Doch ein Gedanke drängt sich mir zum wiederholte Male auf: wie ist es möglich, dass der Mensch auf der einen Seite so grossartige, wunderschöne Dinge tun und auf der anderen Seite so abgrundtief böse sein kann? Das eine ist Bedingung für das andere. Ein Tier kann nicht böse sein, es hat seine Verhaltensmuster. Davon kann es nicht ab. Eine Tiermutter versorgt ihren Nachwuchs, verteidigt ihn gegen Feinde bis zum letzten. Das ist jedoch nichts heldenhaftes, sondern Teil dieses Musters. Der Menschen kann das auch, jedoch auch seine eigenen Kinder misshandeln, ja sogar aus purer Lust töten. Es ist manchmal schrecklich, ein Mensch zu sein.


Heute war ein blöder Tag. Am Morgen die Wohnung aufgeräumt und sauber gemacht. Zum Mittag ein kleines Essen für Schwiegermutter und mich gekocht. Am Nachmittag nur am Tisch gesessen, gelesen, Sudoku. Nichts macht mir richtig Spass. Vom Nachbar herüber schallt Kinderlachen, Wortfetzen und Lachen der Erwachsenen. Meine Tochter geht heut Abend mit ihrem Freund auf eine Hochzeitsfeier. OK, Papa ist zu Hause, Oma ist ja dann versorgt.

Irgendwann beginnt Wut in mir hoch zu kochen. Ich gönne meinen Nachbarn ihren schönen Nachmittag mit der Familie, ich gönne meiner Tochter die Feier am Abend von Herzen. Und ich? Hei, bin ich der, der ja sowieso zu Hause bleibt? Man kann sich darauf verlassen? Er hat ja sonst nix zu tun?

Nein. Mir rinnen die Tage durch die Finger, bewegungslos. Ich will noch was vom Leben. Ich will noch spontan entscheiden dürfen. Ich will mein Leben selbst bestimmen, Prioritäten setzen. Nämlich mich! Nicht immer, doch nicht nur ab und zu wenn es anderen in den Kram passt.

Also ab unter die Dusche, stadtfein machen. Wohin weiss ich noch nicht. Ich möchte in ein Restaurant, gemütlich was essen. Als einziges nehm ich mein Handy mit, um erreichbar zu sein. Das Steakhaus in S., schade, alle Tische im Freien sind besetzt. OK, drinnen finde ich einen Tisch direkt neben der Pizabäckerei, dem Grillkamin. Der Raum ist angenehm temperiert. Ich kann den Köchen zuschauen, der Bedienung. Das butterzarte 300gr-Steak liegt vor mir, nicht lange. Es war schön, ich fühl mich wohl.

Zum allererstenmal bin ich alleine weg. Spaziere ich alleine durch die Gassen. Schaue ich den Menschen alleine zu, wie sie gemütlich sitzen, reden, lachen, essen, drinken, spazieren, manche auch nur Hand-in-Hand schweigen.

Früher war das anders. Da war ein Treffpunkt abgesprochen, wo ich auf sie warte, bis ihre Einkäufe erledigt sind. Ich bin die gleichen Wege gelaufen, hab die gleichen Leute gesehen. Heute gibt es diesen Treffpunkt nicht mehr, niemals wieder kommt sie mir lachend entgegen, vollbepackt. Erstaunlicherweise bin ich nicht mal so traurig bei diesen Gedanken. Ich weiss ja, dass niemals etwas wieder so sein wird wie vorher. Zu mir selbst sage ich: "Helmut, gewöhnt dich daran! Das ist dein neues Leben!" Oder ist der Gedanke garnicht von mir? Trotz allem Neuem klingt er so versöhnlich und beruhigend.

Langsam und zögernd stehe ich auf.


Alles Liebe

Helmut
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  #250  
Alt 09.07.2009, 15:03
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Daumen hoch AW: Myriam

Hallo Brigit,

ich weiss nur zu genau, wovon du redest. Mir geht es doch oft genauso. Schlapp, keine Lust für irgendwas, das Geschirr kann auch mal nen Tag stehen bleiben. Zum Kochen oder Essen oft erst recht keine Lust. Staubsauger? Was ist das? Und wenn man dann noch sieht, wie gut es anderen geht, ist es ganz aus.

Dann wiederum Hektik. Putzen, waschen, kochen, aufräumen, alles wird erledigt. Fertig? OK, wieder auf den Stuhl gesetzt und gewartet, bis der nächste Anfall von Arbeitswut kommt. Wut im wahrsten Sinne des Wortes. Ein ständiges Auf und Ab, von Null auf Hundert und genau so schlagartig wieder runter auf Null.

Anstatt sich zu freuen, etwas getan zu haben, eine sinnvolle Arbeit erledigt zu haben, sitzt man regungslos herum und trauert. Warum ist ER/SIE nicht mehr da. Früher war alles einfacher, besser, schöner. Man ist wütend, weil er/sie nicht mehr da ist. Dazwischen schleicht sich dann, ganz heimlich, Trauer über den eigenen Verlust, schliesslich fühlt man sich ja selbst nur noch als halber Mensch. Man beginnt irgendwann sich selbst zu betrauern. Wenn dir das dann erstmal bewusst wird, beginnt ein neuer Abschnitt. Nun wirst du wütend auf dich selbst, weil DU nichts tust. Weil DIR was fehlt. Weil DU antriebslos herumhängst. Das macht dich wütend auf DICH.

Ich finde, das ist ein gewaltiger Unterschied zur Trauer in der ersten Zeit. In der ersten Trauer wird der oder die Verstorbene betrauert. Nun sind wir an der Reihe betrauert zu werden. WIR rücken langsam wieder in unseren Mittelpunkt unsers Denkens. Das ist der Moment, wo wir zumindest nicht mehr krumm und gebeugt am Tisch herumsitzen, sondern wir beginnen uns gerade hin zu setzen. Wir schauen uns um, beginnen zu suchen: "was ist noch da", nicht: "was fehlt".

Darauf lässt sich doch was ordentliches aufbauen, oder?

Nicht, dass jemand glaubt, ich hätte das hinter mir, würde darüber stehen. In keinster Weise. Ich sitze mitten drin und möchte manchmal nur zu gerne mit dem Kopf durch die Wand. So, wie ich manchmal den sprichwörtlichen "Tritt in den Hintern" bekomme, renne ich genauso oft auch gegen die Wand. Beides kann ziemlich weh tun.


Fühl dich mal einfach gedrückt,

Helmut
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  #251  
Alt 09.07.2009, 23:15
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Gibt es einen Unterschied zwischen Trauer und Trauer?

Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich jemanden verliere. Mein Grossvater starb, als ich 21 war, er wurde knapp 75 Jahre. 1994 starb mein Schwager mit 45 Jahren, 1998 meine Grossmutter mit fast 99 Jahren. Mein Vater in 2003, mein Schwiegervater 2005 und noch einige mehr, darunter auch Schulfreunde. Wenn ich auf dem Friedhof meines Heimatortes bin, endecke ich oft neue Gräber von Menschen meines Alters, die ich kenne. Mit zumehmendem Alter wird das Sterben zum Begleiter, die Einschüsse werden dichter.

Es war schlimm, diese Menschen, die mir so nahe standen, zu verlieren. Es war schlimm irgendwann fest zu stellen, dass nicht mehr so viele da sind, die Älter sind, als ich. Zeitabschnitte werden immer öfter an Beerdigungen festgezogen als an Kindtaufen.

Es war schlimm, die Grosseltern (ich bin bei ihnen praktisch aufgewachsen, wir wohnten in einem Haus), den Vater zu verlieren. Ich wünsche mir heute manchmal, ihnen noch einmal die Hand drücken zu können. Mein Schwiegervater, ein toller Mann, Vater und Ehemann. Mit ihm hab ich 32 Jahre unter einem Dach gewohnt. Mehr also, als bei meinen Eltern. Um sie alle hab ich getrauert und denke heute: schade, es wär schön, sie noch um mich zu haben.

Ja, trauern, schon. Doch dann konnte ich meine Frau in den Arm nehmen (oder umgekehrt), meine Kinder und alles war im Lot. Die eigene kleine Familie konnte das auffangen, mehr als ausgleichen. Ja klar, da waren leere Plätze, was besonders bei Familienfeiern auffiel: man brauchte weniger Stühle und Gedecke. Klingt blöd, das sind jedoch Gedanken, die einem durch den Kopf gehen beim Herrichten des Tisches. Relativ schnell war man darüber hinweg. Es gibt einige solcher Gelegenheiten, wo früher mehr Menschen am Tisch sassen.

Naja, dann gehen alle nach Hause und wir vier leben weiter unser glückliches Leben.

Wieviel anders ist es die Frau, den Mann oder Lebenspartner/in zu verlieren?

Die Kinder sind gross, haben bereits selbst welche, haben ihre eigene Wohnung oder ihr eigenes Haus, vorallem aber führen sie ihr eigenes Leben. Haben ihre eigene kleine Familie in die sie abtauchen können. Sie haben garkeine Zeit, ständig zu überlegen: was wäre wenn! Sie gehen nach Hause und wissen, da ist jemand mit dem sie reden, lachen und manchmal auch streiten können. Da ist jemand, der Antwort gibt, den man berühren kann. Da ist jemand, der sie in den Arm nehmen kann. Da ist jemand, den sie lieben und der sie liebt.

Sicher, auch ich werde geliebt. Wie ein Vater, Opa. Von Herzen liebe ich auch sie, als Vater, Opa. Ich bin ja eigentlich nicht allein. Pustekuchen! Überall, ausser in meiner Wohnung, bin ich nur noch mehr oder weniger Besucher. Wenn ich in meine Wohnung komme und laut "Schatz, ich bin da!" rufe, wird lediglich die Katze auf dem Sofa, vielleicht, verschlafen mit einem Auge blinzeln. Wenn ich im Bett liege greift mein Arm in's Leere. Morgens, beim Frühstück trinke ich meinen Kaffe alleine (wenn ich überhaupt Lust dazu hab). Mittagessen (zumindest die meisten), Abendessen, genau dasselbe. Und dazwischen? Sehr viel Leere, trostlose Leere. Keine Gespräche, kein Kuss beim Weggehen, keiner beim Zurückkommen, keine Berührung, keine Wärme, keine Nähe. Niemand da, mit dem ich etwas gemeinsam tun kann. Nicht einmal mehr streiten kann ich mich.

Wenn das Radio aus ist, nur noch Geräusche von aussen. Innen ist es still, totenstill. Ich hätte mir nie im Leben träumen lassen, dass es so schwer ist einen Gedanken nur zu denken und ihn nicht auszusprechen.


Ich wünsche euch eine gute Nacht

Helmut
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  #252  
Alt 10.07.2009, 01:40
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Hallo Helmut L,

bin durch Zufall auf Deinen Beitrag gestoßen und habe alle Berichte gelesen. Bei so einigen sind mir die Tränen gekommen.
Ich habe noch nie einen so geliebten Menschen verloren, denke aber oft daran, wie ich das wohl schaffen werde. Meine Gedanken ähneln sehr Deinen Ausführungen.
Ich bin selbst schon mehrmals an Brustkrebs erkrankt und habe natürlich Angst vor dem Ende aber viel mehr Angst meine geliebten Menschen vielleicht allein lassen zu müssen.

Ich wünsche Dir sehr viel Kraft und Mut. Du schaffst es und ich bin sicher, daß Deine Myriam auf Dich und Deine Kinder aufpaßt.

Alles Liebe und Gute
BALU
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  #253  
Alt 10.07.2009, 16:29
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Hallo Birgit,

entschuldige bitte, bei deinem letzten Satz "solange bleib ich einfach sitzen......" musste ich spontan grinsen. Unwillkürlich vielen mir meine Töchter ein und seh dich, die Arme verschränkt, den Dackel auf dem Schoss, mit grimmigem Gesicht auf deinem Stuhl hocken. Hör ich da sowas wie Trotz aus diesem Satz? Würde mich freuen wenn's so wäre. Zumindest bist du mal am überlegen, das ist doch schon was. Lass dich nicht entmutigen, wenn dir nicht sofort DIE Lösung einfällt. Die könnte auch noch garnicht funktionieren. Sie aus den Augenwinkeln mal anschauen, das geht.

Meine Heilpraktikerin hat letztens zu mir gesagt: "Was sie brauchen ist ein Ziel. Kein Ziel für morgen oder übermorgen. Auch nicht für nächsten Monat. Überlegen sie sich mal wo sie in 5 Jahren sein möchten, wie sie möchten, dass ihr Leben dann aussieht. Dabei geht es nicht darum, dieses Ziel unter allen Umständen zu erreichen, sondern um die Tatsache ein langfristiges Ziel zu haben und dass sie sich, in kleinen Schritten, dorthin auf den Weg machen. Ganz sicher wird sich dieses Ziel immer wieder mal ändern, was kein Beinbruch ist, denn wer kennt schon die Zukunft? Der Weg ist das Ziel."

Das Ziel ist also, sich auf den Weg zu machen, um einen imaginären Punkt in der Zukunft zu erreichen. Dass man dabei ab und zu mal in eine Sackgasse gerät oder riesige Umwege macht, nimmt man in Kauf, ist keineswegs ein Schritt zurück. Warum? Weil jede falsche Entscheidung, Missgriff oder Missgeschick zwar eine bittere Pille ist, die im Endeffekt aber auch ein Quentchen Erfahrung für die Zukunft in sich trägt. Und, was noch viel wichtiger ist: ein kalkuliertes Risiko ist nur noch ein halbes Risiko. Oder umgekehrt: das Scheitern an einer Aufgabe spornt an es wieder zu versuchen. Sollte es sich dann herausstellen, dass ich diese Aufgabe nicht bewältigen kann, dann bin ich stolz, es wenigstens versucht zu haben und ich gehe halt drumherum zur nächsten. Vielleicht komme ich ja später nochmal zurück, um es erneut zu versuchen? Wenn nicht, was solls. Nicht alles im Leben ist mit Erfolg gekrönt.

Das muss ich mir nur ständig wieder in's Gedächtnis rufen und schon ist der Weg nicht mehr ganz so steil.


Alles Liebe

Helmut
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  #254  
Alt 10.07.2009, 18:44
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Hallo Helmut, Hallo Birgit,

ich möchte mich dann mal einreihen und mich neben Birgit setzen( mit einem Jack Russel auf dem Schoß). Puh, ich weiß im Moment gar nichts mit mir anzufangen. Ich sitze da, starre vor mich hin und wunder mich, wie lang so ein Tag sein kann! Und dann ärger ich mich wieder, weil ich nichts gemacht habe aus diesem einen kostbaren Tag. Was würde mein Spatz drum geben (und ich erst), noch einen einzigen Tag zu haben- gemeinsam. Und ich kriege es nicht in die Reihe: in's Auto setzen und shoppen fahren, auf's Rad setzen und in die Natur fahren oder oder oder.
Ein Ziel haben- gute Idee- aber ich habe da noch keine Vorstellung von meinem neuen Leben. Wie soll ich mich auf den Weg machen, wenn ich nicht weiß in welche Richtung!? Also bleibe ich auch erstmal sitzen und starre vor mich hin. Vielleicht treibt der Hunger mich ja noch in die Küche. Aber was essen, wenn der Kühlschrank auch ziehmlich leer ist!
Oh man, schaun wir mal, was das Wochenende bringt! Ich denke an euch zwei.
Liebe Grüße Carmen
__________________
So lass uns Abschied nehmen, wie zwei Sterne
durch jenes Übermaß von Nacht getrennt,
das eine Nähe ist, die sich an Ferne
erprobt und an dem Fernsten sich erkennt.

R.M.Rilke


Für meinen geliebten Ronni (12.09.1964- 24.01.2009)
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  #255  
Alt 11.07.2009, 00:44
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Standard AW: Myriam

Guten Morgen,

heut war ich im Computer-Club. War ein schöner Abend. Es ging um digitale Fotografie und ihre Verarbeitung. War mal kurz draussen, es war bereits dunkel ich und konnte einen Schnappschuss machen. Der Zirkus Flic-Flac gastierte auf dem Nachbargelände.


Alles Liebe

Helmut
Angehängte Grafiken
Dateityp: jpg Flic-Flac.jpg (53,0 KB, 330x aufgerufen)
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